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Schlafwandler

Schlafwandler

Titel: Schlafwandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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nicht
einfach so auf dem Bürgersteig stehenlassen. »Kommen
Sie, ich rufe Ihnen ein Taxi nach Hause.«
    »Aber ich habe
noch kein Geld verdient.«
    Er griff in die Tasche
und zog einen Fünfzig-Mark-Schein heraus. »Ich habe Ihre
Zeit mehr als genug in Anspruch genommen.«
    Ein langes, schwarzes
Taxi hielt neben ihnen. Kraus öffnete die Tür, und als
sie einstieg, leuchteten ihre grünen Augen vor Dankbarkeit. Es
war ein Gefühl, das geradewegs durch die Rüstung drang,
die er so sorgfältig um sein Herz errichtet hatte.
    Er versuchte, die
Tür zu schließen.
    »Bitte.«
Sie versperrte die Tür und klang plötzlich mehr nach
einer einsamen jungen Frau als nach einer Stiefelhure. »Nicht
Ihretwegen. Für mich«, flüsterte sie. »Ich
verspreche es.«
    Trotz aller Argumente
seines Verstandes stieg er zu ihr in den Wagen.
    Sie fuhren gemeinsam
los.
    Inspektor und
Hure.

ACHT
    Der Raum im
Dachgeschoss, zwei Treppen über der Wohnung ihrer Mutter, war
nicht viel größer als eine Gefängniszelle. Ein
kleiner Kohleofen in einer Ecke diente als Heizung und Herd. Das
Bett hatte einen Daunenüberwurf mit einem Muster aus
verblassten roten Rosen. Von dem Fenster mit einem Blumenkasten
voller vertrockneter Geranien blickte man in den tiefen Hinterhof,
in dem sich ein Gespinst aus Wäscheleinen spannte.
    Das war alles, was er
sah, bevor sie ihn ins Bett zog.
    Die Stärke seines
Verlangens erschreckte und entsetzte ihn.
    In einer
unwiderstehlichen Explosion sprang das libidinöse Tier in ihm
aus seinem Winterschlaf auf, und mit einer primitiven Wildheit, die
er an sich vollkommen vergessen hatte, fiel er über sie her,
ohne auf irgendetwas zu achten als seine überwältigende
Gier. Als er kam, schien sein Höhepunkt nicht enden zu
wollen.
    Anschließend
versuchte Kraus vergeblich, zu verhindern, dass er leise in ihren
Armen weinte. Es war so lange her.
    Eine lange, leere,
schmerzliche Zeit.
    Sie streichelte sein
Haar, küsste seine Stirn und flüsterte: »Schon gut,
Kraus. Menschen brauchen einander.«
    Er empfand
Gewissensbisse und Scham.
    Und eine unglaubliche
Erregung.
    Er konnte ihr einfach
nicht nah genug kommen.
    »Jetzt bist du
dran.« Er strich mit der Nase über ihre samtweiche
Schulter.
    »Das wäre
auch besser, mein Lieber.«
    Sie war bis auf ihre
kleinen, fingerlosen Handschuhe, die er unglaublich erotisch fand,
nackt.
    »Eine Sekunde.
Ich bin gleich wieder da.« Sie küsste ihn.
    Sie blieb ein paar
Minuten im Badezimmer, und als sie wieder ins Bett stieg, war sie
in einer sehnsüchtigen, fast träumerischen
Stimmung.
    »Welche andere
Wahl gab es auch schon für ein Mädchen wie mich?«
Sie erzählte ihm aus ihrem Leben, als sie eng umschlungen
dalagen. »Eine Fabrik. Oder es in einer Revue versuchen. Ich
habe beides ausprobiert. Kannst du dir vorstellen, wie ich mit
sechzehn mehr als zehn Stunden am Tag an einem Tisch stehe und
Nähgarn zu Wischmopps wickele? Das habe ich zwei Jahre lang
gemacht. Bis zur Depression. Dann saß ich mit dem Hintern auf
der Straße, wie alle anderen auch. Also dachte ich, ich
sollte ihn besser benutzen. Was ich übers Tanzen wusste? Na
ja, es waren nicht gerade meine Fähigkeiten im Steppen oder im
Ballett, die mich in die Revue gebracht haben.«
    »Aber ich
bezweifle keine Sekunde, dass du das bemerkenswerteste Mädchen
in der Show warst.«    
    Er umfasste ihre
Brüste und küsste sie nacheinander.
    »Ich war genau
genommen verdammt phantastisch.«
    »Mich musst du
wirklich nicht überzeugen.«
    Sie schien
nachzudenken und setzte sich dann auf, offenbar entschlossen, es
ihm zu beweisen. »Willst du es sehen?«
    Er kam nicht dazu zu
antworten. Sie war bereits aus dem Bett gesprungen, hatte das Laken
mitgezogen und ließ ihn splitternackt dort liegen. Dann
kurbelte sie wild entschlossen ein Grammophon an, wickelte sich das
Laken um die Taille und schwenkte ihre Hüfte im Takt der
schnellen Musik, dem Gassenhauer »Kesse Lola«, dem
»Liebling der Saison«, die »ein Pianola zu Hause
im Salon« hatte, an das sie »keinen ran«
ließ. Paula streckte die Arme aus, als würde sie die
Mädchen rechts und links neben sich umarmen, und schleuderte
dann ihre Beine im Can-Can-Stil abwechselnd nach vorn. Auf und ab,
hin und her. Ihre großen, weißen Brüste
hüpften im Takt. Er beobachtete sie wie in einem Traum. Mein
Gott, dachte er, sie ist wundervoll.
    Als sie sich atemlos
verbeugte, applaudierte er begeistert. Sie ist wirklich unglaublich
gut, dachte er. Wenn das Schicksal ihr andere

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