Schlag auf Schlag
Verstehst du, ja?«
»Ihr beiden seid dann also rausgegangen«, bohrte Myron weiter.
»Wir sind rausgegangen und haben uns ein ruhiges Plätzchen hinter einem Schuppen gesucht. Ich schwöre, dass wir uns nur geküsst haben. Mehr nicht. Wir haben uns nur geküsst. Dann haben wir was gehört und nicht weitergemacht.«
Myron setzte sich wieder hin. »Was habt ihr gehört?«
»Erst hat es sich angehört, als würde jemand Tennis spielen. Dann kamen ein paar laute Stimmen dazu. Eine davon war Alexanders. Und dann dieser grässliche Schrei.«
»Was habt ihr getan?«, fragte Myron.
»Ich erst mal gar nichts. Valerie hat auch geschrien. Dann ist sie losgerannt. Ich hinterher. Ich habe sie kurz aus den Augen verloren. Dann bin ich um eine Ecke gelaufen, und da stand sie reglos ein paar Meter vor mir. Als ich bei ihr war, hab ich gesehen, wen sie angestarrt hat. Alexander hat blutend auf dem Rasen gelegen. Seine Freunde wollten gerade abhauen. Der große Schwarze stand neben der Leiche. In einer Hand hatte er einen Tennisschläger, in der anderen ein großes Messer.«
Myron beugte sich zu ihm hinüber. »Du hast den Mörder gesehen?«
Ned nickte. »Persönlich und aus der Nähe.«
»Und es war ein großer Schwarzer.«
»Ja.«
»Wie viele waren es insgesamt?«
»Zwei. Beide schwarz.«
So viel zu seiner These, dass sie nur Sündenböcke für jemand anders gewesen waren. Sofern Ned die Wahrheit sagte, und davon ging er aus. »Und was ist dann passiert?«
Ned zögerte einen Augenblick. »Hast du Valerie in ihren besten Zeiten mal gesehen? Auf dem Platz, meine ich?«
»Ja.«
»Hast du den Ausdruck in ihren Augen gesehen?«
»Welchen Ausdruck?«
»Bestimmte Sportler haben ihn. Larry Bird hatte ihn. Und Joe Montana. Michael Jordan, Du vielleicht auch. Na, also Val hatte ihn jedenfalls, und sie hatte ihn auch in diesem Moment. Der kleinere Schwarze hat angefangen, den großen anzubrüllen. Er hat geschrien: »Guck dir an, was du getan hast«, »Bist du verrückt geworden« und so was. Dann sind sie losgerannt. Sie kamen direkt auf uns zu. Ich hab mich verdrückt, ich bin doch nicht blöd. Val ist nicht abgehauen. Sie ist einfach stehen geblieben und hat gewartet. Als sie nahe genug waren, hat sie einen durchdringenden Schrei ausgestoßen und sich auf den Kleineren gestürzt. Ich hab meinen Augen nicht getraut, Sie hat ihn umgerissen wie ein Linebacker. Dann lagen beide auf dem Boden. Der Typ hat ihr mit seinem Tennisschläger eine verpasst und konnte sich befreien.«
»Hast du die beiden aus der Nähe gesehen?«
»Ja, ich war ziemlich nah dran.«
»Hast du Bilder von Errol Swade gesehen?«
»Ja, natürlich, sein Foto war nach dieser Geschichte ja fast jeden Tag in der Zeitung.«
»War er derjenige, den du gesehen hast?«
»Zweifellos«, sagte er ohne Zögern. »Gar keine Frage.«
Myron dachte darüber nach. Sie waren in jener Nacht dort gewesen. Im Old Oaks Club. Myron hatte sich geirrt. Luanda Elright hatte sich geirrt. Swade und Yeller waren nicht nur Sündenböcke der Polizei. »Und was habt ihr dann getan?«, fragte Myron.
»Hey, Valerie hatte schon genug Probleme mit ihrer Karriere. Solche Zeitungsberichte hätten sie völlig fertig gemacht. Also bin ich wieder mit ihr auf die Party gegangen. Wir haben nichts davon gesagt. Val fiel dann sowieso erst mal aus - die war völlig durch den Wind, aber das kann man sich ja vorstellen. Überleg
doch mal, sie geht mit mir raus, um ihren Freund zu betrügen, und genau in diesem Moment wird er ermordet. Unheimlich, oder?« Myron nickte. »Sehr unheimlich.«
Und, dachte Myron, ein Ereignis, das eine gepeinigte Seele endgültig aus der Bahn werfen konnte.
43
Myron und Jessica hielten Wort. Sie sprachen nicht über die Morde. Sie kuschelten, sahen sich auf AMC Der Fremde im Zug an und aßen thailändisches Takeaway-Essen. Sie liebten sich. Sie knutschten, sahen sieh Das Fenster zum Hof an und verschlangen eine Portion Häagen-Dazs Eis. Daraufhin liebten sie sich noch einmal.
Myron war ein wenig schwindlig. Für eine Nacht vergaß er die Welt von Valerie Simpson. Alexander Cross, Curtis Yeller, Errol Swade und Frank Ache. Es war schön. Zu schön. Er fing an, über Vororte nachzudenken, über den Basketballkorb neben der Einfahrt - und dann verbot er sich solche Gedanken.
Ein paar Stunden später holte ihn die Morgensonne unsanft wieder zurück in die Realität. Die nächtliche Flucht hatte ihm das Paradies gezeigt, und im Bett neben Jessica hatte er einen kurzen
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