Schlag auf Schlag
winkte nicht zurück.
Myron wandte sich an Jessica. Sie lächelte ihn an.
»Du bist schön«, sagte er.
»Schöner als die Blondine mit den dicken Titten?«, fragte sie.
»Wer?«, sagte Myron.
»Das Silikon-Monster, das dir schöne Augen macht.«
»Ich hab keine Ahnung, wovon du redest.« Dann: »Woher weißt du, dass die aus Silikon sind?«
Die Spieler kamen auf den Platz und fingen an, sich warmzuspielen. Zwei Minuten später hatte Pavel Menansi seinen großen Auftritt. Einige Zuschauer applaudierten. Pavel bekundete seine Dankbarkeit mit einer kreisförmigen Bewegung seiner Hand. Fast wie der Papst. Er trug weiße Tenniskleidung und hatte einen grünen Pullover um den Hals geschlungen. Mit strahlendem Lächeln schritt er zur TruPro-Loge hinüber. Aaron stand auf, ließ ihn vorbei und setzte sich wieder. Pavel und Roy O'Connor schüttelten sich die Hände.
Es traf Myron wie ein Schlag in den Solarplexus. »Oh nein«, stieß er hervor.
»Was?«, fragte Jessica.
Myron stand auf. »Ich muss weg.«
»Jetzt?«
»Ich komm wieder. Entschuldigt mich.«
28
Er hörte sich das Match im Autoradio an. WFAN, 66 AM. Offenbar spielte Duane nicht besonders gut. Er hatte den ersten Satz gerade 6:3 verloren, als Myron auf einen Parkplatz an der Central Park West in Manhattan einbog.
Dr. Julie Abramson wohnte in einem Luxus-Altbau einen halben Block von ihrem Büro entfernt. Myron klingelte. Es summte, und aus der Sprechanlage ertönte ihre Stimme.
»Wer ist da?«
»Myron Bolitar. Es ist dringend.«
Sie schwieg ein paar Sekunden. Dann: »Erster Stock.« Wieder summte es. Myron drückte die Tür auf. Julie Abramson empfing ihn im Flur.
»Haben Sie angerufen und aufgelegt, als ich ans Telefon gegangen bin?«, fragte sie.
»Ja.«
»Warum?« »Um festzustellen, ob Sie zu Hause sind.«
Er kam an ihre Wohnungstür. Sie standen sich gegenüber. Durch den Größenunterschied - sie unter einsfünfzig, er über einsneunzig - war das ein fast komischer Anblick.
Sie blickte zu ihm auf. Weit hinauf. »Ich kann noch immer weder bestätigen noch abstreiten, dass Valerie Simpson je meine Patientin war«, sagte sie.
»Das ist in Ordnung. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen zu einer hypothetischen Situation stellen.«
»Eine hypothetische Situation?«
Er nickte.
»Und das hat nicht Zeit bis Montag?«
»Nein.«
Dr. Abramson seufzte. »Kommen Sie herein.«
Im Fernseher lief das Match. »Ich hätte es mir denken können«, sagte sie. »Immer wieder wird die Spielerloge mit Jessica Culver eingeblendet, aber Sie sind nicht zu sehen.«
»Wenn Jessica da ist, zeigen die mich sowieso nicht.«
»Der Sportreporter sagte, sie sei Ihre Freundin. Stimmt das?«
Myron zuckte die Achseln. Unverbindlich. »Wie steht's denn?«, fragte er.
»Ihr Klient hat den ersten Satz 6:3 verloren«, erwiderte sie. »Und im zweiten liegt er auch schon 2:0 zurück.« Sie schaltete den Fernseher aus und zeigte auf einen Sessel und sie nahmen Platz. »Schildern Sie mir Ihre hypothetische Situation, Myron.«
»Fangen wir doch mit einem jungen Mädchen an. Fünfzehn Jahre alt. Hübsch. Aus wohlhabenden Verhältnissen. Die Eltern sind geschieden, der Vater ist ausgezogen. Sie ist mit einem Jungen aus einer Prominentenfamilie liiert. Außerdem spielt sie Tennis.«
»Das klingt bisher nicht sehr hypothetisch«, sagte Dr. Abramson.
»Lassen Sie mir noch einen Moment Zeit. Dieses junge Mädchen ist eine so großartige Tennisspielerin, dass ihre Mutter sie auf eine Akademie schickt, die von einem weltberühmten Tennistrainer geleitet wird. Als das junge Mädchen in der Akademie ankommt, findet sie dort einen gnadenlosen Wettbewerb vor. Tennis ist ein sehr individueller Sport. So etwas wie Teamgeist gibt es nicht. Und Kameradschaft auch nicht. Alle kämpfen um die Gunst des weltberühmten Trainers. Tennis ist nicht unbedingt förderlich, wenn man Freunde sucht.« Erdachte an Eddies Worte. »Es macht eher einsam. Würden Sie dem zustimmen, Doktor?«
»Auf dem Leistungsstand, den Sie da beschreiben, schon. Ja.«
»Als unser junges Mädchen also aus dem Leben, das sie kennt, herausgerissen und in diese feindselige Umgebung geworfen wird, empfängt man sie nicht mit offenen Armen. Ganz im Gegenteil. Die anderen Mädchen sehen in der neuen Konkurrentin eine Bedrohung, und als sie erkennen, wie herausragend sie spielt, wird sie zur echten Gefahr. Die anderen Mädchen machen einen noch größeren Bogen um sie. Sie wird noch einsamer.«
»Okay.«
»Also, dieser
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