Schlag weiter, Herz
zu tun hat, wenn sie mitgehen. Manche Männer verlieben sich, immer wieder hört Mert solche Geschichten.
Bei seinem ersten Besuch wurde Mert von der Mamasan mit Tequila unter den Tresen getrunken. In einem unbeobachteten Moment hatte Mert die Gläser vertauscht und war überrascht, dass sie tatsächlich den gleichen Fusel trank wie er. Auf dem Nachhauseweg wäre Mert mit dem Motorrad fast über die Klippen hinter der Phuket Shooting Range gerast, so betrunken war er. Zu Hause musste er sich zweimal übergeben. Die Mamasan hatte ihn abgefüllt, aber nicht ausgenommen. Deswegen kam er wieder.
An den folgenden Abenden machte Mert deutlich, dass er nur Bier trinken und keines der Mädchen mitnehmen will. Seitdem wird er behandelt wie ein Maskottchen und jedes Mal stürmisch begrüßt.
Mert kennt mittlerweile die Hierarchie unter den Mädchen. Die mit den längsten Beinen, den ebenmäßigsten Gesichtern und den größten Brüsten gehen als Erste weg. Erst wenn sie einen Kunden gefunden haben, kommen die Mädchen mit den krummen Beinen an die Reihe, und die, denen etwas Bauchspeck über das knappe Röckchen quillt. Mert verteilt sein Trinkgeld so, dass jede etwas bekommt, vor allem diejenigen, denen sonst weniger zugesteckt wird. Mert hat nichts übrig für die Männer, die bei sich zu Hause, wo immer das sein mag, in Frankreich, Italien, Deutschland, Dänemark, Australien, China oder Russland, nicht zu den begehrtesten zählen und hier so auftreten, als wären sie nur mit dem Besten zufrieden. In der Sunshine Bar ist Mert auf der Seite der Frauen, die ihre Haut zu Markte tragen müssen. Er weiß, wie es sich anfühlt, wenn man nach Alter, Gewicht und Größe beurteilt wird. Wenn man nichts weiter kann, als sich selbst anzubieten. Wenn älter werden bedeutet, immer weniger wert zu sein.
Mert mag seine Routinen, das Vertraute. Wann immer er Lust auf Gesellschaft hat, geht er in die Sunshine Bar.
Normalerweise trinkt er Singha-Bier, aber derzeit gibt es keins. Wegen der Überschwemmungen in Bangkok gehen die Lieferungen nicht raus. »Beer crisis hits Patong« stand heute Morgen in der »Phuket News« zu lesen. Mert trinkt notgedrungen Chang-Bier, obwohl ihm das nicht schmeckt. Die Mamasan klagt: »No Singha, no business«, und Mert tut, was er kann, damit sie mehr Umsatz macht. Er hat keine Lust, sich eine neue Bar zu suchen, falls diese schließen sollte. Er kennt die Mädchen. Und was noch wichtiger ist: Sie kennen ihn. Sie halten ihn für einen Glücksbringer, der gut fürs Geschäft ist. Wenn er als Erster an der Bar sitzt, kommen oft weitere Gäste, und Mert läutet die Glocke, über der ein Schild mit der Aufschrift »Ring bell – shooters for all« hängt. Dann kreischen die Mädchen und verteilen eine Lokalrunde Tequila. Die anderen Männer wollen sich nicht lumpen lassen, läuten ebenfalls die Glocke, und es kommt Leben in die Sunshine Bar. Seinen Tequila schüttet Mert meistens hinter dem Tresen in den Ausguss.
Er sitzt stets am selben Platz, am Ende der Theke direkt vor der Mamasan, die Getränke rausgibt und Beträge auf Zettelchen schreibt, die sie in schmalen Holzbechern vor die Kunden stellt. Er sitzt da wie ein Silberrücken, ruhig, unbeteiligt, wachsam. Ein betrunkener Belgier will nicht einsehen, dass er fürs Busengrabschen mindestens hundert Baht Trinkgeld geben sollte, doch es genügt, dass Mert sich aufsetzt, seinen Rücken unter dem T-Shirt durchdrückt und den Mann ansieht wie sonst seine Gegner. Felix sagte über diesen Blick einmal, dass er weder feindlich noch besonders aggressiv wirke, eher so, als würde Mert fragen: »Bist du sicher, dass du das hier tun willst? Ganz, ganz sicher?« Ein Blick, so alt wie die Gewalt selbst.
8
Gleich zu Beginn des Kampfes gab es einen Augenblick, in dem Mert unter einer Kombination durchtauchte, drei Treffer wegsteckte und Felix mit einem rechten Seitwärtshaken erwischte. Felix hatte seine Aktionen noch nicht auf Merts Geschwindigkeit eingestellt. Er war entsprechend überrascht, dass er den Haken nicht hatte kommen sehen. Ab diesem Zeitpunkt war Felix auf der Flucht. Er zog weite Kreise um Mert und schlug aus der Distanz. Dadurch fehlte seinem Angriff der Druck, er tat Mert nicht weh. Mert stellte Felix immer entschiedener nach, lauerte auf eine Chance, hielt seine Deckung zusammen und marschierte in die Schläge hinein.
Wenn Mert nah genug war, öffneten sich seine Armbeugen, und er schlug linke und rechte Haken, kurz und schnell, wie zwei
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