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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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drehte sich zu Nadja und fragte: »Wollen wir zusammenbleiben?«
    »Wir sind doch schon lange zusammen.« Die seltenen Ausbrüche von Liebesüberschwang trafen Nadja so unvermittelt, dass sie oft nicht wusste, wie sie reagieren sollte.
    »Ich weiß. Aber vielleicht sollten wir für immer zusammenbleiben. Richtig Kinder bekommen.«
    »Heiraten?«
    »Ja, heiraten.«
    »Dafür müsstest du mir einen Antrag machen.«
    »Ich habe keinen Ring. Dafür braucht man doch einen Ring.«
    »Du könntest einen Ring schießen. Ist mir egal, ob er aus Plastik ist.«
    »Ich warne dich. Ich habe meine halbe Jugend hier verbracht. Wenn ich außer Boxen noch was kann, dann schießen.«
    »Das will ich hoffen.«
    Mert ging zur Schießbude und fragte nach Ringen. Aber sie hatten keine Ringe, nur Blumen, Schraubenzieher und kleine Samtherzen, auf denen »Love« stand.
    »Du kannst mir irgendwas schießen«, sagte Nadja, »ich nehm dich sowieso.«
    Mert kaufte zehn Schuss. Er traf Schraubenzieher, Blumen und »Love«-Herzen. Bald gingen ihm die Ziele aus.
    »Versuchen Sie doch, ein Foto zu schießen, mit Ihrer schönen Freundin, junger Mann«, sagte die Frau im Schießstand schließlich.
    Mert visierte die Zielscheibe an, die man genau in der Mitte treffen musste, um das Foto auszulösen. Nadja stand aufgeregt neben ihm. Er traf, aber nur den inneren Rand der Mitte, die Kamera löste nicht aus.
    »Lenke ich dich ab?«, fragte Nadja.
    »Nur wenn du so weit weg stehst.«
    Sie stellte sich hinter ihn, schob ihren Arm um seine Hüfte und legte ihr Kinn auf seine Schulter. Sie konnte spüren, wie Mert seinen Atem beruhigte, wie er seinen Puls abmaß, um im richtigen Moment abzudrücken. Wenn er jetzt trifft, dann kann das nur ein gutes Zeichen sein, dachte sie. Dann werden wir alles aushalten, wir werden gemeinsam alt, egal was passiert. Mert atmete ein, sein Brustkorb spannte sich. Dann drückte er ab, der Blitz leuchtete auf, und der Moment war der Zeit entrissen.

19
    Mert schwimmt zum Strand zurück und sieht den Hund, der nervös auf und ab läuft. Schwer atmend kommt er aus dem Wasser und krault den Hund zwischen den Ohren. Mert hustet, setzt sich in den Sand, wartet, bis die Sonne das Wasser auf seiner Haut getrocknet hat und sich eine pudrig weiße Schicht Meersalz bildet. Dann steht er auf und geht zurück in die Wohnung, um zu duschen.
    Die Frau seines Vermieters putzt gerade, barfuß und meckernd. Sie streift immer ihre Schlappen ab, bevor sie seine Wohnung betritt, zeigt ihre lustigen Füße mit den schmalen Zehengliedern und den breiten, runden Zehenspitzen. Ihre Füße erinnern Mert an die Gliedmaßen eines Lurchs. Die Alte amüsiert ihn, wenn sie auf Thai schimpft, weil ihr etwas missfällt. Wenn Mert seine Handtücher nass und sandig auf dem Badezimmerboden liegen lässt oder das Obst in der Schale vergammelt. Sie meckert eigentlich durchgehend, aber Mert versteht nicht, was sie sagt, also wird es zu Lautmalerei. Die Alte hört sich in seinen Ohren an wie die Erwachsenen bei den »Peanuts«. Als Kind hatte Mert die Comicserie immer gerne gesehen.
    Manchmal versucht die Alte ein Gespräch mit ihm anzufangen, redet wahrscheinlich über das Wetter, über das Hochwasser in Bangkok, vielleicht will sie ihm auch ihre Enkelin als Ehefrau anbieten. Was es auch sein mag, Mert versteht sie nicht. Er nickt, er lächelt, er verlässt den Raum. Er hat ein schlechtes Gewissen, wenn sie bei ihm putzt und es unordentlich ist. Mert räumt all die Dinge, die keinen festen Platz haben, von hier nach da und stapelt, was sich stapeln lässt. Er sortiert die Plastikhüllen mit den schwarzkopierten Filmen, die die Alte neben dem Fernseher aufschichtet. Über die Monate hat er sich eine ganze Sammlung bei dem Inder zwei Gassen weiter gekauft.
    Die Alte verabschiedet sich, fordert »more«, als er ihr dreihundert Baht in die Hand drückt. Er antwortet »no more!«, sie sagt energisch »little!«, er antwortet »same every time«. Dann rupft die Alte ihm die Scheine aus der Hand, gibt eine Schimpfzugabe und lacht ihn zahnlos an, bevor sie geht und ihm etwas zuruft, was vermutlich »bis Donnerstag« heißt, weil sie zweimal pro Woche vorbeikommt.
    Mert liegt abends oft auf seinem Bett, sieht zwei Filme hintereinander und drückt auf seinem schwarzen Knetball herum, bis ihm die rechte Hand lahm wird. Wenn eine DVD nicht läuft, geht er wieder zu dem Inder und tauscht sie um. Er kauft Filme, bei denen Handlung und Dialoge schlicht sind, um sein Englisch zu

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