Schlag weiter, Herz
keinen Abbruch. Das war etwas völlig anderes. Kein McDonald’s.
Mit Nadja blieb er nach dem Sex eng umschlungen liegen, um sich ihrer Nähe zu versichern. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und schob sich an ihn ran, damit möglichst viel Fläche seines Körpers den ihren berührte. Am Anfang hatte Mert keine Übung in Zärtlichkeit gehabt. Er wusste nicht, wie er sie halten sollte, war so unbeholfen wie jemand, der zum ersten Mal mit Messer und Gabel isst. Daraus entwickelte sich über Jahre ein Ritual. Wenn Nadja sich an ihn schmiegte, tat Mert, als wüsste er nicht, was sie wollte. Aber er liebte es, Nadja so nah zu spüren. Wenn er sich auf die Seite drehte, um einzuschlafen, robbte sie von hinten heran und legte einen Arm um seine Hüfte. Dann sagte er: »Na komm schon her.« Es sollte unwillig klingen, war aber die Aufforderung, sich so nah wie möglich an ihn zu pressen. Er nahm dabei ihren Arm und zog sie zu sich. So schliefen sie jede Nacht ein, wenn sie keinen Streit hatten. Egal ob sie zuvor Sex miteinander gehabt oder sich nur vom Fernseher ins Bett geschleppt hatten. Mert drehte sich in eine komfortable Schlafposition, Nadja kam näher, wartete auf sein Signal und schmiegte sich an seinen Rücken.
Wenn sie vorher gezankt hatten, um alles oder nichts, lag Nadja auf dem Rücken und starrte an die Decke, während Mert schwieg. So bestraften sie sich gegenseitig mit einer verlorenen Nacht.
Eines Abends verbrachte Mert die letzten zwei Stunden seiner Schicht im Hans-Albers-Eck allein. Die Nacht war ruhig, und Marco wollte früher Feierabend machen. Heike, die Barfrau, setzte sich raus zu Mert, um eine Zigarette zu rauchen. Heike war blond, klein und rund. Nicht schön, aber sexy, auch wenn sie stets so aussah, als würde sie zu wenig schlafen. Sie war das Gegenteil von Nadja.
»Was ist passiert?«, fragte Heike und deutete dabei auf sein Auge. Beim Sparring am Nachmittag hatte er sich ein Veilchen zugezogen.
»Du müsstest mal den anderen sehen.«
Als der Laden eine halbe Stunde später schloss, fragte sie, ob Mert noch etwas mit ihr trinken wolle.
»Warum nicht?«
Da es bereits fünf Uhr früh war und selbst auf dem Kiez nicht mehr viel geöffnet hatte, bot Heike an, zu ihr zu gehen. »Ich wohne gleich über die Reeperbahn, in der Seilerstraße.«
Dort angekommen taten sie nichts, um ihre Absicht zu verschleiern. Sie gingen ins Bett. Mert probierte aus, wie weit er gehen konnte. Eine Verfehlung wurde schließlich nicht schlimmer, wenn man sie voll auskostete. Nach einer Stunde stand Heikes Mitbewohnerin in Unterhose und T-Shirt in der Tür.
»Sag mal, bei euch hackt’s wohl!«
»Kannst du nicht klopfen?«, schrie Heike und zog sich eine Decke über.
»Ich hab geklopft. Mehrmals. Habt ihr nicht gehört. Das Klingeln auch nicht. Die Nachbarn haben sich beschwert.«
Heikes Mitbewohnerin musterte den nackten Mert. Sie stülpte den Mund anerkennend nach vorne, aber Sympathie war nicht zu spüren. Mert zog sich an. Er hatte bekommen, was er wollte, und nutzte die Unterbrechung, um sich davonzumachen. Nun ekelte er sich vor Heike, und wenn er schnell ging, kam er noch zu einer Uhrzeit nach Hause, die er Nadja als lange Schicht verkaufen konnte.
Als Mert die Reeperbahn in Richtung Großneumarkt runterlief, fühlte er sich gut. Stark, erfolgreich, befriedigt.
Leider konnte er seinen Triumph nicht teilen. Vor allem nicht mit Nadja. Er roch noch nach Heike, aber er vermisste Nadja. Obwohl er auf dem Weg zu ihr war, fehlte sie ihm, weil er etwas vor ihr verbergen musste.
»Du riechst nach einer Frau«, murmelte Nadja, als er sich neben sie ins Bett legte.
»Wir hatten einen Junggesellinnenabschied im Albers-Eck, die haben mich eingesprüht«, erklärte Mert, erstaunt, wo er mit dieser Geschwindigkeit eine plausible Ausrede herzog. Nadja schien ihm zu glauben, sie schlief sofort wie der ein.
Das schlechte Gewissen kam erst am Sonntag. Nadja und Mert waren bei Felix und dessen Frau Angelika zum Essen eingeladen. Mert mochte diese Treffen nicht besonders. Felix war Hausherr, Mert der Gast. Doch Nadja stellte die Verabredungen nie zur Diskussion. Sie sagte Mert lediglich, wenn es wieder so weit war, obwohl sie selbst keine Lust hatte, Zeit mit ihrer Schwägerin Angelika zu verbringen, die Felix »Lixi« nannte und auch in seiner Anwesenheit von ihm sprach, als sei er nicht da. »Ach, Lixi ist immer so eigen«, sagte sie. »Lixi mag das nicht.«
Mit Nadja versuchte Angelika Frauengespräche zu
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