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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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fragt Mert.
    »Yes beer crisis! Singha double price. But no for you.«
    Die Mädchen verschwinden wieder auf ihre Positionen. Nur das Manga-Mädchen bleibt vor Mert sitzen.
    »You hurt?«, fragt sie.
    »No.«
    Ganz vorsichtig berührt sie seine Narbe. Mert nimmt ihre Hand und legt sie darauf. Mit einem schrillen Jauchzen zieht sie die Hand zurück.
    »You lose?«, fragt sie.
    »I win.«
    »You look like you lose.«
    »You should see the other.«
    Mert ist nicht sicher, ob sie das versteht, doch er belässt es dabei. Wenn man Missverständnisse aufzuklären versucht, wird es mühsam. Es hat eine ganze Weile gebraucht, bis Mert aus dem Manga-Mädchen herausbekam, dass sie aus einem Dorf in der Provinz Chiang Mai stammt. Dass sie zwei Jahre nicht in Patong war und nun seit drei Monaten wieder bei der Mamasan arbeitet. Sie sieht aus wie ein Kind, hat aber eine dreijährige Tochter, die bei der Großmutter im Norden geblieben ist. Kein Mann, genauer erklärte sie es nicht, »no man«. Die Mamasan hat ein Apartment am Stadtrand von Patong, in dem die Mädchen sich zu zweit ein Zimmer teilen. Ihren Flug müssen sie selbst zahlen, Miete fällt nicht an. Will einer der Männer das Manga-Mädchen mitnehmen, in ein Stundenhotel oder auf sein Zimmer, zahlt er der Mamasan fünfhundert Baht Ablöse, so macht sie ihren Schnitt. Den Rest verhandelt das Mädchen direkt mit dem Freier. Mert findet das fair, zumindest so fair, wie das Leben eben sein kann.
    Auf dem Hans-Albers-Platz hatte Mert vor Jahren gesehen, wie ein Zuhälter ein Mädchen verprügelte. Sie versuchte vor ihm wegzulaufen. Seine Kollegen schützten den Mann vor Störungen von außen. Er schlug der Frau in den Magen, um ihr Gesicht nicht zu beschädigen. Etwas Brutaleres hat Mert nie erlebt. Tagelang schämte er sich dafür, zugesehen zu haben. Noch heute fühlt er sich elend, wenn er daran zurückdenkt.
    Eine Menschenfreundin ist die Mamasan auch nicht, aber soweit er das Manga-Mädchen verstanden hat, sind die Arbeitsbedingungen in Ordnung, und in Chiang Mai gibt es für eine junge Mutter ohne Ausbildung nichts zu tun. Mehr will Mert nicht wissen, das ist ihm eigentlich schon zu viel. Solche Informationen lenken seine Fantasie in eine Richtung, die er nicht mag. Lieber redet er an dem Manga-Mädchen vorbei und richtet sich im freundlichen Kauderwelsch ein.
    Bevor er von ihrer Tochter in Chiang Mai erfuhr, hatte Mert sich manchmal vorgestellt, wie es wäre, mit dem Manga-Mädchen zusammen zu sein. Sie mitzunehmen, in ein neues Leben. Sie könnte sich um die Ordnung in seinem Gym und in den Hütten kümmern. Das wäre auf jeden Fall besser, als bei der Mamasan anschaffen zu gehen. Eine Prostituierte zu retten, das wäre noch nicht dasselbe, wie sich alleine vor einen Panzer zu stellen. Aber es wäre ein Anfang. Vielleicht könnten sie sich lieben. Das ist schwierig genug mit jemandem, dessen Sprache man spricht. Vielleicht wird es einfacher, wenn man nur Sympathie teilt und keine Worte. Er mag das Manga-Mädchen, ihr Lachen vor allem. Sie verzieht ihr Gesicht dabei, es scheint ihr egal zu sein, wie sie aussieht. Deswegen glaubt Mert, dass sie sich nicht allzu viel darum schert, was andere von ihr denken, und das findet er attraktiv.
    Leider fällt ihm ihr Name nicht mehr ein. Er hat sie ein paarmal gefragt und ihn nicht behalten. Er ist kompliziert, und sie betont ihn seltsam. Nun traut Mert sich nicht mehr, noch mal zu fragen. Er will nicht, dass sie denkt, ihr Name sei ihm egal.
    Als er die Sunshine Bar entdeckte und das Manga-Mädchen sich zum ersten Mal zu ihm setzte, machte er ihr unbeholfene Komplimente. Mert wies sie ab, wollte aber, dass sie verstand, wie schön er sie fand. Sie tippte schließlich mit dem Zeigefinger auf seine Tätowierung, kurz oberhalb des Herzens, dann faltete sie ihre Hände auf ihrer Brust. Mert war nicht sicher, ob sie damit fragte, ob sein Herz vergeben sei, oder ob sie damit ausdrücken wollte, dass sie ihn ebenfalls mochte. So oder so hielt er ein Lächeln und ein Kopfnicken für die passende Antwort. Damit war die Beziehung zwischen ihnen geklärt. Der Rest war Nähe unter Schiffbrüchigen.
    Das Manga-Mädchen spielt ein Würfelspiel mit Mert, ein sehr einfaches, bei dem man nur Zahlen in einer Reihe rauswürfeln muss, bis man den darunter liegenden Schriftzug »Jackpot« freigelegt hat. Sie gewinnt und lacht, ihr Gesicht verzieht sich.
    »You happy face«, sagt sie. Ihm ist nicht bewusst, dass er sie die ganze Zeit

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