Schlag weiter, Herz
anlächelt.
»You win!«, antwortet Mert.
Das Manga-Mädchen hört den Ruf der Mamasan, lässt das Würfelspiel stehen und kümmert sich um Kunden. Sie baut Jenga-Türmchen mit einem rotgesichtigen Mann, lacht, lässt ihn gewinnen. Er muss ihr Whiskey-Soda ausgeben, so viel hat er begriffen. Der Kerl ist älter als Mert, sein mächtiger Bauch sitzt auf zwei Streichholzbeinen. Alles in allem ein unansehnlicher Typ. Das Manga-Mädchen kichert und freut sich, und der Mann freut sich, dass sie sich über ihn freut. Den hat sie in der Tasche, denkt Mert, die guten Mädchen machen es schon richtig, die suchen sich ihre Kunden genau aus.
Mert hatte eine Weile gebraucht, bis er verstand, dass junge hübsche Kerle nicht ins Beuteschema passen. Die posieren an der Bar und geben sich der Selbsttäuschung hin, die Mädchen würden sie vor lauter Begeisterung ansprechen. Solche Kerle versuchen so zu tun, als seien sie zufällig hierhingeraten und müssten überredet werden, weil sie es eigentlich nicht nötig haben. Als müssten die Mädchen dankbar sein. Die alten und die unansehnlichen Männer sind dagegen ehrlich. Sie wissen, was sich zuträgt, und benehmen sich entsprechend.
Deswegen stören sich die klugen Mädchen nicht daran, wenn die Typen fett, alt oder stark behaart sind. Die Mädchen achten darauf, dass die Typen ordentlich sind. Dann gibt es keine Scherereien mit der Bezahlung. Sie werden freundlich behandelt, und um Spaß geht es schließlich nicht.
Mert beobachtet den rotgesichtigen Mann, der mit dem Manga-Mädchen spielt. Er lacht unsicher, beobachtet sie begeistert, wenn sie hinter dem Tresen verschwindet, um sich eine Zigarette zu holen. Der Mann fragt das Manga-Mädchen, ob sie noch einen Drink will. Schnapp ihn dir, denkt Mert, der ist nett, der zahlt den vollen Preis und will nicht plötzlich ohne Kondom in den Arsch, nur weil er Geld hat. Der scheint anständig zu sein, und so viele davon gibt es nicht. Selbst die Anständigen sind ja manchmal scheiße, ohne es zu wollen. Das dunkle Tier bricht aus, schlägt um sich, und man kann sich hinterher nicht mal ordentlich entschuldigen. Mert nimmt einen tiefen Schluck von seinem Bier.
Der Mann zahlt der Mamasan die Ablöse, das Manga-Mädchen räumt das Spiel ab. Dann hakt sie sich bei ihm unter, und sie verschwinden im Gewühl vor den anderen Bars. Mert trinkt noch ein Singha und dann, weil er seinen Sieg feiern will, einen Tequila mit der Mamasan. Er spült den Geschmack des Tequila mit Bier runter, aber die Mamasan stellt ihm schon wieder einen neuen hin. Mert kennt sich mit dieser Musik nicht mehr aus, ein stampfender Takt hackt sich Stunde um Stunde durch alle möglichen Melodien, zwischendurch pfeift ein synthetischer Klang nach oben, wie bei Fahrgeschäften auf dem Dom. Dazwischen Satzfetzen, »I’m sexy and I know it«, alles bricht ineinander. Mert würde gerne »Breakfast at Tiffany’s« hören, aber er hat keine Hoffnung, dass sie das spielen. Also beginnt er zu der Achterbahnmusik zu tanzen, springt im Takt in die Höhe, läutet die Glocke wie verrückt, »Ring bell – shooters for all«. Die Mamasan hält die Glocke fest, damit er sie nicht abreißt.
Mert tanzt genauso furchterregend, wie er mit seinem bunt leuchtenden Gesicht aussieht. Er wirbelt herum, schnappt sich eines der Mädchen für drei Drehungen und schwingt sich auf einen der Tische. Er springt von dort auf den Tresen, greift eine Stange, tanzt an ihr und ahmt die Bewegungen der Mädchen nach. Er macht sich gut da oben, er kann sich bewegen. Die Mädchen klatschen und kichern, aber sie sind nicht sicher, dass das gut geht, also zupfen sie an Mert, lenken ihn wieder nach unten auf seinen Barhocker, wo es ihn allerdings nur kurz hält, dann will er wieder tanzen. Er umarmt die Mamasan, umarmt die Mädchen, tanzt in Boxbewegungen, als würde er jemanden erschlagen wollen, und wacht schließlich auf, zu Hause, mit dem Kopf neben der Toilette in seinem Erbrochenen liegend.
24
Mert blieb bei Nadja, auch nachdem er sein altes Hobby wieder aufgenommen hatte, mit jeder Frau zu schlafen, die sich für ihn interessierte. Es gab einen Moment, beim ersten Mal, in dem er zurückzuckte. Ein Gefühl, als würde er durch eine Tür gehen, die sich von der anderen Seite nicht mehr öffnen ließ. Nachdem dieser Moment überwunden war, wurde es zu einer schlechten Gewohnheit, Gelegenheiten wahrzunehmen. So wie andere Männer heimlich Pornofilme sehen oder rauchen. Seiner Liebe zu Nadja tat dies
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