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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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führen. Nadja antwortete selten. Meistens nickte sie mechanisch mit dem Kopf, wenn Angelika redete, woraufhin sie sich bestätigt fühlte, obwohl Nadja immer nickte, wenn sie nicht richtig zuhörte und ihr eine Situation unangenehm war. Mert kannte das. Wenn Angelika sich in ein Gespräch einmischte, suchte Nadja die Flucht im Thema Boxen, bei dem ihre Schwägerin anfing, den Tisch abzuräumen.
    Angelika hatte die Wohnung alleine eingerichtet und Felix nur um Erlaubnis gefragt, wenn etwas teuer war. Felix interessierte sich nicht für Möbel, Dekoration oder Geschirr. Er interessierte sich für Boxen und Maschinenbau. Sein Studium hatte er so rasch wie möglich abgeschlossen, um seine Frau und das Kind, mit dem sie schwanger war, versorgen zu können.
    Die Wohnung erinnerte Nadja an die Wohnungen aus Vorabendserien. Das Bunte zu bunt, das Verzierte zu verziert. Das Sofa sah geschmackvoll aus, aber wenn man eine halbe Stunde darauf saß, wusste man nicht mehr, welche Haltung man einnehmen sollte, so unbequem war es. Für Felix’ Medaillen, Pokale und Urkunden hatte Angelika eine Glasvitrine angeschafft, die im Flur hing. Felix lebte das Leben nach, das er von seinen Eltern kannte.
    Je öfter er Mert sah, umso kraftloser wurde Felix in seiner Ablehnung. Er hatte sich mühsam an Merts Anwesenheit bei den Familienessen gewöhnen müssen. Er konnte ihn nicht auf Abstand halten, wenn er seine Schwester sehen wollte. Und je näher Mert aufrückte, umso deutlicher erkannte Felix, dass Mert nicht schlechter war als er, sondern anders. Ohne Regeln, die Gedanken ins Ungefähre gerichtet. Felix suchte nach einem Schema im Leben, einem Verhaltenskodex. Nach Klarheit und Genauigkeit. Das machte es schwer für ihn, Mert zu mögen.
    Kannte man Mert nur kurz, konnte man denken, er sei uninteressiert, stumpf. Studierte man ihn länger, wurde klar, dass er sich schonte, seine Kraft für die entscheidenden Schläge sammelte. Er saß in seiner Ecke, beobachtete, und erst wenn Gefahr in Verzug war, stürmte er los, mit aller Energie und ohne Rücksicht auf Verluste. In schwachen Momenten dachte Felix, dies sei vielleicht die einzige Möglichkeit, überhaupt auf die Unbarmherzigkeit der eigenen Existenz zu reagieren.
    Freilich konnte er das nicht zugeben, weder vor sich selbst noch vor anderen. Felix behandelte Mert wie einen Menschen, der nicht fertig geworden war, roh blieb, Zerstörung anrichtete. Aber gleichzeitig war Felix sicher, dass Mert für Nadja sterben würde, und neben dem Boxen war das eine tiefe Einigkeit, die beide verband.
    Natürlich sprachen sie nie darüber. Ihre Gespräche kreisten um Arbeit, das Leben in Ost und West – Felix’ Lieblingsthemen, bei denen Mert nicht mitreden konnte. Manchmal sprachen Nadja und Felix über ihre gemeinsame Kindheit und Jugend, oft nur in Andeutungen oder kleinen Szenen, die Mert zum Fremden machten. Er saß dann neben Nadja und wunderte sich, dass sie nicht das Interesse an ihm verloren hatte.
    War Mert mit Nadja allein, gab es immer etwas zu besprechen. Sie wusste seine Schilderungen, Gedanken oder Gefühle einzuordnen. Fehlte ihm ein Steinchen, um das Mosaik seiner Erzählung zu vervollständigen, half sie ihm bei der Suche. Doch sobald andere Menschen anwesend waren, ging das nicht mehr, ohne dass Mert sich wie ein Idiot vorkam.
    Felix lächelte, wenn Mert sich unklar ausdrückte. Er wollte nachsichtig wirken, andeuten, dass er verstanden hatte, was Mert meinte. Doch bei Mert kam es anders an. Es war wie mit seinen Eltern früher. Belehrungen, die ihn unruhig machten.
    Felix war nach seinem Studienabschluss Ingenieur bei einer Wurstwaren-Verarbeitungsfirma geworden. Mert arbeitete als Türsteher. Felix hatte seine vierte deutsche Meisterschaft und eine Europameisterschaft gewonnen. Mert war wieder ins Schwergewicht aufgestiegen, um Felix auszuweichen, und bei der deutschen Meisterschaft im Viertelfinale von einem Ostdeutschen ausgepunktet worden. Im Vergleich mit Felix fühlte Mert sich auf allen Ebenen unterlegen. Das Einzige, was ihm Gelegenheit bot, Balance herzustellen, war ihr gegensätzliches Wesen im Ring. Felix war der bessere Boxer, aber Mert der härtere Kämpfer.
    An diesem Abend diskutierten sie über die Weltmeister Henry Maske, Dariusz Michalczewski und Sven Ottke.
    »In Amerika wäre Ottke nie Weltmeister geworden, genau wie Henry Maske«, sagte Mert. Mit seinem defensiven, kopfgesteuerten Kampfstil galt Ottke für ihn als Hasenfuß.
    Felix hingegen fand, dass Ottke

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