Schlag weiter, Herz
war nichts anderes zu erwarten. Alles, was ich in dir gesehen habe, waren nur meine eigenen bescheuerten Wünsche. Kleinmädchenpoesie über Romantik und Liebe. Aber du hast mir die Augen geöffnet. Vielen Dank.«
Mert steckte die Schläge ein, bis er benommen war. Er stand auf, schleppte seine Sporttasche in den Flur und zog Klamotten aus den Fächern, die Nadja ihm vor langer Zeit freigeräumt hatte. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann.
Die Vorstellung, gemeinsam alt zu werden, hatte sich in Mert eingenistet, wenn Nadja seine Geburtstage ausrichtete, wenn sie einen Weihnachtsbaum kaufen gingen. Wenn sie ihm kommentarlos einen Kühlbeutel aus dem Eisfach reichte. Wenn er etwas in der Wohnung montierte, wenn sie gemeinsam ausgingen. Wenn sie darüber sprachen, wem ihr Kind wohl ähnlich sehen würde. Alles verloren. Nadja stand im Türrahmen zur Küche. Sie sprachen kein Wort. Nadja weinte still, bis Mert angezogen war und die Tür hinter sich zuzog, ohne sie noch einmal anzusehen. Dann sank Nadja im Flur zusammen und hockte dort eine Weile. Sie legte sich aufs Bett und starrte an die Decke, bis sie am nächsten Morgen wieder zur Arbeit musste.
25
Mister Sambot erscheint so regelmäßig wie Ebbe und Flut. Sein Besuch gibt Mert ein Gefühl der Verlässlichkeit. Mister Sambot weiß, dass er Mert nicht per Telefon erreichen kann, und fährt direkt vor. Selten muss er sein Glück öfter als zwei- oder dreimal versuchen. Heute ist es das zweite Mal.
Mittags hatte es eine Stunde stark geregnet, dicke Tropfen, die auf die Haut peitschten. Danach war Mert eine Runde laufen gegangen. Er trägt noch seine Sportkleidung und sitzt in einem durchgeschwitzten T-Shirt auf dem Balkon, als er Mister Sambots schwarzen Mercedes herangleiten sieht. Die Sonne brennt die Oberflächen schnell trocken, nur in den Schlaglöchern sammelt sich das Wasser.
Mister Sambot parkt in einer großen Pfütze. Auf Phuket gilt ein Mittelklasse-Toyota schon als Luxus, also geht Mert davon aus, dass sich hiesige Boxpromoter nicht allzu sehr von denen in Deutschland unterscheiden. Wer auf Phuket einen Mercedes fährt, verdient mehr Geld, als die Moral verträgt. Aber im Vergleich zu seinen deutschen Kollegen ist Mister Sambot fast ein Ehrenmann. Er versucht Merts Gage herunterzuhandeln, indem er die Gegner kleinredet und die Veranstaltung als schwach bezeichnet. Die Zeiten sind sowieso schlecht. Aber sobald sie sich einig sind, versucht Mister Sambot nicht mehr nachzuverhandeln. Es gibt keine unerwarteten Abzüge, keine Sonderkosten, die plötzlich zu Lasten der Kampfbörse gehen. Wenn Mert mit deutschen Promotern zu tun hatte, war das einzig Sichere, dass es keine Sicherheiten gab, selbst wenn der Vertrag bereits unterschrieben war. Da zählte man besser seine Finger ab, nachdem man einem von ihnen die Hand geschüttelt hatte.
Der Hund knurrt Mister Sambot an. Guter Hund, denkt Mert, hat die richtigen Instinkte. Aber eigentlich freut sich Mert über die Besuche von Mister Sambot. Bestimmt kein Menschenfreund, genau wie die Mamasan. Beiden muss es egal sein, was mit den Leuten geschieht, die sie in ihr Unglück treiben, Ausbeutung gehört zu ihrem Jobprofil. Aber wenigstens respektieren sie Einsatzwillen und betrügen einen nicht mehr als notwendig.
Mister Sambot schleppt sich die schmale Treppe hoch. Er trägt ein kleines Hütchen, ungewöhnlich für einen Thai. Vielleicht hat er in einem Film gesehen, dass Männer wie er Hütchen zu tragen haben. Es fehlt nur eine abgekaute Zigarre, um das Klischee abzurunden. Doch zwischen seinen Fingern, die mit dicken Ringen geschmückt und deren Nägel lang und spitz zugefeilt sind, hält Mister Sambot einen Taschenrechner.
Mert und Mister Sambot verhandeln auf Englisch, da entsteht Raum für Missverständnisse. Es war schon vorgekommen, dass Mister Sambot einen Kampf gegen einen großen Amerikaner mit wenig Erfahrung ankündigte, stattdessen aber ein Holländer in den Ring stieg, der über hundert Kämpfe hatte und Mert grün und blau trat. Doch bei einer Frage verlangt ihre Verhandlung Präzision: bei der Börse. Dafür ist der Taschenrechner. Die Beträge werden eingetippt.
Mister Sambot zeigt sich begeistert, dass Mert schon wieder im Training ist. Er klopft ihm zweimal mit der flachen Hand auf die Brust, dass die Schweißtropfen spritzen, dann wischt er seine Hand an der Hose trocken. Mert stellt Wasser für einen Tee auf. Mister Sambot setzt sich auf den Balkon und wartet. Sein Hütchen legt er
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