Schlag weiter, Herz
Moskito. Zuerst versuchte er es mit Kombinationen, dann stellte er seine Beinarbeit um, sodass er Ali im Ring den Weg abschneiden konnte. Er traf Ali erst, als er sich die Mühe machte, schneller zu schlagen und dabei nicht seine ganze Kraft in die Schläge zu legen. Ein schneller, lockerer Aufwärtshaken aus der Bewegung traf Ali unter der Deckung hindurch an der Kinnspitze. »Geht doch«, sagte Ali, nachdem er wieder zu sich gekommen war.
Mert wäre gerne zum Sparring mit Felix in den Ring gestiegen, nicht nur um von ihm zu lernen, sondern um eine Nähe herzustellen, die er vermisste. Dass es nicht dazu kam, konnte Mert sich nur dadurch erklären, dass Felix bei Gersch darum gebeten hatte, nicht mit Mert arbeiten zu müssen. Und was Felix wünschte, wurde von Gersch erfüllt.
»Der will mich abstrafen, weil ich seine Schwester schlecht behandelt habe«, beschwerte sich Mert eines Nachts bei Constanze. »Der hasst mich.«
»Vielleicht will er dich auch nur nicht mögen«, sagte Constanze. Sie rollte sich auf die Seite und stützte sich auf ihren Arm.
»Du hast mir doch mal erklärt, dass man sofort weiß, wie ein Mann gestrickt ist, wenn man mit ihm im Ring steht. So geht es Felix bestimmt auch. Und weil er sich mit seiner Schwester solidarisch zeigen will, kann er nicht mit dir boxen, weil er dich dann vielleicht mögen würde.«
Es war nicht auszuschließen, dass sie recht hatte. Mert ließ es auf sich beruhen, und auch die Boxkollegen beim Verband fragten irgendwann nicht mehr nach, warum Mert und Felix getrennt voneinander betreut wurden. Die Situation normalisierte sich, da jeder sie akzeptiert hatte.
27
Mert beschließt, eine gute Tat zu tun. Er geht duschen und zieht sich an. Unten auf der Straße schnappt er sich den Hund und hebt ihn hoch. Der Hund weiß nicht, wie ihm geschieht, nachdem er den Bodenkontakt verliert. Er strampelt, scheint Mert jedoch zu vertrauen. Erst als Mert sich auf sein Motorrad setzt und es anlässt, dreht der Hund durch. Er strampelt und will nach Mert beißen, der ihn sofort loslässt, woraufhin der Hund abspringt und verschwindet. Mert bockt das Motorrad wieder auf. Sein Vermieter beobachtet die Szene, lacht und schüttelt den Kopf. Mert geht die Treppe hoch, zurück in seine Wohnung.
Nach einer Viertelstunde ist der Hund wieder da. Beleidigt blickt er zu Mert auf den Balkon hoch und rollt sich dann vor dem Haus ein. Mert geht wieder runter und setzt sich vor ihn. Nach einer Weile streckt Mert die Hand aus und streichelt dem Hund über den Kopf. Er beißt nicht. Gut, denkt Mert, er nimmt es mir nicht übel. Dann nimmt er ihn wieder auf den Arm, schleppt ihn zu sich ins Apartment und setzt ihn in die Dusche. Da sitzt der Hund und sieht bedröppelt aus. Das kennt er nicht, und was er nicht kennt, das mag er nicht, denkt Mert.
Mert greift zum Duschschlauch und dreht ihn nur so weit auf, dass ein Rinnsal herauströpfelt. Damit benetzt er den rechten hinteren Lauf des Hundes, der das Ganze angstvoll beobachtet, aber über sich ergehen lässt, bis er kurz darauf komplett nass ist. Doch der Hund bleibt verunsichert. Duschgel hat er noch nie gerochen, und er tobt, als Mert ihn einseift. Aber er beißt nicht. Als Mert ihn schließlich abgeduscht hat, schüttelt sich der Hund, rennt einmal im Kreis in der Wohnung umher, bis er den Ausgang gefunden hat und wieder auf die Straße gelangt, wo Mert ihn zwei Minuten später auf seinem angestammten Platz vor der Tür findet, das Fell fast schon getrocknet von der Sonne. Mert stellt seine leere Sporttasche vor den Hund und klopft auf den Boden, um ihm zu bedeuten, dass er reinspringen soll. Aber der Hund spitzt nur die Ohren, legt den Kopf schräg und blickt dann in die andere Richtung. Schließlich nimmt Mert eine Vorderpfote und stellt sie in die Tasche. Nachdem der Hund das geschehen lässt, nimmt Mert die zweite, die dritte, die vierte Pfote, bis er den Hund in der Tasche versenkt hat. Mert schließt die Tasche, bis nur noch der schwarze Kopf herauslugt. Als er die Tasche vom Boden hebt, fällt der Hund um. Er sieht verängstigt aus, bleibt aber friedlich. Erst als Mert sich die Tasche über die Schulter wirft, sich auf sein Motorrad setzt und den Motor wieder anlässt, strampelt der Hund wie in einer Zwangsjacke. Er versucht zu entkommen, doch der Reißverschluss hält ihn zurück.
Mert fährt schnell. Er pendelt oft wochenlang nur von dem schmalen bewohnten Streifen, an dem sein Apartment liegt, bis nach Patong. Wenige Kilometer hin
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