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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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erklären, dass es ihm nicht darum ging, dem anderen wehzutun, sondern den Kampf zu gewinnen. Doch als er kurz Luft holte, plapperte die Frau in ihrer seltsamen Sprache dazwischen. Sie erklärte aufgeregt, wie gerne sie ihre Konflikte mit den Fäusten austragen würde, wie sehr sie sich danach sehnte, diesem oder jenem Kollegen die Fresse zu polieren. Wie viel ehrlicher sie die Welt von Mert und Stefan fand, im Gegensatz zu ihrer Arbeit, wo jeder nur so tat, als sei er schlau, schnell oder gewitzt, und wo niemand jemals die ganze Wahrheit sagte.
    »Ihr seid so klar. Einfach bumm – und alle Fragen sind beantwortet. Eure Konfrontation ist ehrlich, da wird nicht über Bande gespielt, keine Intrige gesponnen.«
    Es machte keinen Unterschied, ob Mert sich eine Antwort überlegte oder sie einfach weitersprechen ließ. »Und ihr seid nicht feig, das finde ich das Beste.«
    »Gibt genug feige Boxer.«
    »Aber man kann doch nicht feig sein, wenn man boxt. Es kann doch keine feigen Boxer geben. Wer würde denn boxen, wenn er feig ist? Das geht doch nicht.« Die Frau redete auf Mert ein, als wäre er geistig behindert. Sie wiederholte sich und fing an, ihm auf die Nerven zu gehen. »Dieser Mut, dass man sich schlägt, das ist es, was mir in meiner Arbeit fehlt. Du müsstest mal die Männer erleben, mit denen ich tagein, tagaus zu tun habe … Gsöchte, Schlappschwänze. Feige Boxer gibt es nicht. Das ist doch gefährlich.«
    »Gibt auch feige Autofahrer, und das ist auch gefährlich.«
    »Ich wäre ein toller Boxer geworden«, sagte die Frau und wirkte dabei so, als wäre sie erleuchtet worden.
    Mert wurde müde, und sie deutete sein Schweigen als Widerspruch.
    »Du würdest dich wundern, wie geschwind ich lerne. Ich bin schlau und sehr ehrgeizig, weißt du.«
    »Hat damit nichts zu tun«, sagte Mert. »Du musst so lange immer denselben Scheiß machen, bis du nicht mehr drüber nachdenkst. Das dauert seine Zeit.«
    »Du meinst also nicht, dass es hilft, wenn man gescheit ist?«
    »Vielleicht boxt man besser, aber man lernt es nicht schneller.«
    »Wie lange brauche ich, um zu boxen?«
    »Bis du die Bewegungen draufhast?«
    »Na, bis ich kämpfen kann.«
    »Du kannst nicht mehr kämpfen.«
    »Wieso soll ich nicht mehr kämpfen? Traust mir wohl nicht zu, dass ich kämpfen kann, weil ich hier im feschen Fummel herumsitze und geschminkt bin. Aber ich bin eine totale Kämpferin.«
    Mert betrachtete die Frau. Er beugte sich unter den Tisch, um sie bis runter zu den Füßen zu mustern. Dann kam er wieder hoch und dachte eine Sekunde nach, was die Frau noch unruhiger werden ließ.
    »Zwei Jahre.«
    »Zwei Jahre? Du hältst mich wohl für völlig deppert.«
    »Hat damit nichts zu tun, hab ich schon gesagt.«
    »Bin ich körperlich ungeeignet?«
    »Hab ich nicht gesagt.«
    »Aber du hast mich doch ausgecheckt.«
    »Ich hab nur nachgesehen, wie die Voraussetzungen sind. Abgesehen davon, dass du derbe schlau und ehrgeizig bist.«
    »Und was passt dir nicht?« Sie zog eine Zigarette aus der Schachtel, die vor ihr auf dem Tisch lag, und rupfte dem Mann, der neben ihr saß, das Feuerzeug aus der Hand.
    »Hab nicht gesagt, dass mir was nicht passt.«
    »Aber du hast doch was gesehen.« Sie blies Mert den Rauch ihrer Zigarette ins Gesicht. Mert blickte sie direkt an, und das ließ sie zur Ruhe kommen, als habe man sie in eine Tonne mit kaltem Wasser getaucht.
    »Du bist ohne Schuhe höchstens 170 Zentimeter groß und wiegst etwa sechzig Kilo. Das ist kein gutes Verhältnis, weil deine Fesseln und Handgelenke schmal sind, also müsstest du eher Gewicht verlieren als zulegen. Du hast keine Muskelzeichnung in den Beinen, an den Armen kann ich es nicht sehen, wegen der Ärmel. Du hast also noch nie regelmäßig Sport gemacht, oder es ist schon lange her. Allein um die Kondition aufzubauen, wärst du ein Jahr beschäftigt. Du rauchst, nimmst Drogen, trinkst Wein. Kannst du alles vergessen. Das da …«, Mert beugte sich nach vorn und deutete auf die zarte Ausbuchtung unter ihrer Bluse, kurz über dem Rockbund, »… ist schlechtes Fett. Das musst du loswerden, das kannst du nicht in Muskeln umsetzen. Du bist auf jeden Fall über dreißig, da verbrennt man das schlecht, dauert alles doppelt so lang. Und ob du dann die ganzen Bewegungsabläufe lernst, wenn du noch keinen anderen Kampfsport gemacht hast, das muss sich auch noch zeigen. Und Wettkämpfe darfst du in deinem Alter sowieso keine mehr machen.«
    Die Frau sprang auf, ihr Stuhl flog durch

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