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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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um mich von dir zu erholen. Und Thomas ist ein guter Mann, ein aufmerksamer Typ, klug, zuverlässig. Er ist sehr ernsthaft.«
    »Also nicht so wie ich.«
    »Nein, der ist ganz anders.«
    »Anders gut oder anders schlecht?«
    »Anders gut, aber eben nicht wie du.«
    »Und wieso hast du dann mit ihm Schluss gemacht?«
    »Weil ich mit dir zusammen sein wollte. Auch wenn das unfair ist. Er hat mich nie schlecht behandelt.«
    Mert überhörte den Vorwurf, seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf einen anderen Punkt.
    »Ihr wart also noch zusammen, als ich bei dir aufgetaucht bin?«
    »Ja.«
    »Und wann hast du dann Schluss gemacht?«
    »Ein paar Tage später.«
    »Wie?«
    »Ich bin zu ihm gefahren und hab ihm die Wahrheit gesagt. Ich hab ihm gesagt, dass ich dich immer noch liebe.«
    »Hast du da noch mal mit ihm geschlafen?«
    Nadja schwieg.
    »Du hast noch mal mit ihm geschlafen.«
    »Ich hab oft mit ihm geschlafen, auch bei unserem letzten Gespräch.«
    Mert wusste, dass er kein Recht hatte, eifersüchtig zu sein. Aber das änderte nichts an seinem Empfinden.
    »Wie war es?«
    »Was willst du denn wissen?«
    »Wie es war.«
    »Was denkst du denn, wie es war?«
    »Keine Ahnung? Gut?«
    »Du meinst, ob wir Spaß hatten?«
    »Was weiß ich denn? Du sagst mir ja nicht, wie es war.«
    »Traurig.«
    Die Liste der Namen, die sie nicht mehr ansprechen konnten, wurde länger.

35
    Mert sortiert sein Leben. Es passt in das Kästchen mit den chinesischen Motiven. Sonst zieht er die Box nur nachts raus, wenn er betrunken ist, betrachtet die Bilder, erinnert sich an alte Zeiten. Ihre Tagebücher und die Fotos ihrer Eltern hat Nadja bei sich behalten. Merts Kampfpass liegt in dem Kästchen, zwei Medaillen, ein abgelaufener Ausweis. Einige Artikel, die ihn in seiner Zeit als Profi zeigen. Ein Bericht ist mit einem großen Porträt von ihm illustriert, die Ränder der Zeitung sind bräunlich verfärbt. Auf dem Foto trägt Mert einen Lorbeerkranz um den Hals, ein Gemisch aus Vaseline und Blut klebt auf seiner Augenbraue. Seit Langem will Mert die Bilder und Ausschnitte aufhängen, aber er hat keine Idee, wo und wie. Vielleicht muss er zuerst einen Ort für sich selbst finden. Dieses Zwischenstadium beenden, wo es doch nichts mehr gibt, wohin er zurückkehren kann. Wenn er die Bilder in der Wohnung an die Wand heftet, gehen sie kaputt, wenn er sie herunternehmen muss. Er wird nicht ewig hier wohnen bleiben. Mit seinen Ersparnissen ist er auf Phuket wohlhabend. Er könnte ein Gründstück in Nai Yang kaufen, sich niederlassen, eine thailändische Frau nehmen, die ihm das Notwendige organisiert. So machen es hier viele Deutsche und Engländer, die keine Verbindung mehr nach Hause haben, außer ihrem Sparbuch. Aber er konnte sich bisher nicht dazu entschließen.
    So wie er manchmal das Gefühl hat, dass er immer zu lange zusah, wie die Dinge sich um ihn herum entwickelten, ohne selbst aktiv zu werden. Vor den Problemen und Sorgen des Alltags duckte Mert ab. Als junger Mann dachte er, dass das Boxen ein Ziel und ein Weg sei. Später wurde es zur Flucht. Immer gab es einen nächsten Kampf. Vorbereitung war das Wichtigste, alles andere musste warten.
    Ein Kampf ist nicht nur ein Erlebnis, das alles andere auslöscht, er sortiert auch die Prioritäten im Vorfeld. Es gibt einen Gegner, den man studieren muss, Training, das es zu bewältigen gilt. Solange Mert kämpft, hat die Bedrohung eine Kontur, er kann nach ihr greifen und wird nicht auf die Knie gezwungen von einer Macht, die er nicht sieht. Selbst eine Niederlage ist eine klare Sache. Es gibt zwei Möglichkeiten, warum man verliert: Der Gegner war besser, oder man selbst war zu schlecht. Mert sah stets nur die zweite Möglichkeit. Wenn ich nicht verliere, kann der andere nicht gewinnen, dachte Mert und trainierte noch mehr, arbeitete noch härter. Nach einer Niederlage quälte er sich wie niemand sonst, ein starker Gegner war nur ein Bild, das er sich vorhielt.
    Doch je älter Mert wird, umso deutlicher spürt er, dass er dabei andauernd gegen sich selbst antritt. Und wer gegen sich selbst kämpft, kann am Ende nur verlieren.
    Der kleine Ali hat sich die Treppe hochgetraut, steht im Türrahmen und gibt ein kurzes Jaulen von sich, er will gefüttert werden, oder gestreichelt. Das Lederband hat er sich ohne Theater anlegen lassen, seitdem trägt er es mit Stolz. Mert winkt, um zu signalisieren, dass Ali reinkommen darf. Der Hund setzt eine Pfote vor die andere. Mert winkt noch einmal,

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