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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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dem Gesicht strich, roch er das stark geschminkte Mädchen an seiner rechten Hand. Er hatte es schon fast vergessen.
    Ali sagte, für alle laut hörbar: »Das Beste war ja wohl, als du die Ossis darüber in Kenntnis gesetzt hast, dass du schon länger Deutscher bist.« Nadja lachte. Da sie sonst ernst wirkte, zündete ihr Lachen wie ein Silvesterkracher. Es sprang ihr förmlich aus dem Gesicht, und Mert fühlte sich geehrt.
    »Dabei hätte ich gewettet, dass du auch Türke bist, oder Perser oder so was«, sagte Ali.
    »Meine Mutter ist Türkin, mein Vater Deutscher.«
    »Deswegen Schulz«, sagte Felix.
    »Mert Schulz«, sagte Ali, »wer heißt schon Mert Schulz? So ein beknackter Name. Wie Jesus Müller oder so.«
    Mert blickte zu Felix. »Bist du nicht auch Ossi?«
    »Wir sind nicht alle so«, antwortete Nadja.
    »Die waren aus Meck-Pomm«, antwortete Felix, »wir kommen aus der Lausitz.«
    »Ist das ein Unterschied?«, fragte Ali.
    »Ein Riesenunterschied«, erklärte Nadja. »Aber für euch hört sich wahrscheinlich alles gleich an, was von drüben kommt.«
    »Bei dir höre ich nix«, sagte Ali.
    »Im Gegensatz zu meinem Bruder hier habe ich mir den Dialekt abgewöhnt.«
    Mert schoss das Blut in die Wangen, er wurde nervös. »Wie heißt du eigentlich?«, fragte er.
    »Nadja«, sagte Felix. Seine Antwort kam schneller als seine Führhand.
    »Habt ihr da drüben nicht Russisch auf der Schule gehabt?«, fragte Mert.
    »Pflichtfach ab der 5. Klasse«, sagte Nadja.
    »Hast du verstanden, was die Betreuer von dem Riesenbaby mir hinterhergebrüllt haben?«
    »Sie haben dir nicht abgekauft, dass du deinen ersten Kampf gemacht hast.«
    »Ist ja auch eine Lüge«, sagte Felix.
    »Nicht meine Lüge.«
    »Aber du hast mitgemacht.«
    »Mitgemacht hab ich.«
    »Nun gib mal Ruhe, Herr Professor«, sagte Ali, »der Typ war sogar überm Limit fürs Schwergewicht. Der hätte Mert auch zu Klump hauen können. Mert hat Weltklasse gekämpft heute!«
    »Stimmt. Hast gut gekämpft heute«, sagte Felix, »nicht gut geboxt, aber gut gekämpft.«
    »Dafür hast du gut geboxt.«
    »Jetzt knutschen sie gleich!«, rief Ali durch den Bus.
    Nadja umarmte ihren Bruder, Felix lachte. Er sah wieder so jung aus, wie er war. Für Mert schien in diesem Moment alles möglich zu sein. Sollte er diese Frau von sich überzeugen können, würde ihn nichts mehr aufhalten. Kein Gegner wäre mächtig genug, keine Chance zu klein.
    Mert träumte von einem Kampf. Nadja würde am Ring sitzen. Ali und Gersch wären dabei, auch alle anderen Boxer der Hamburger Auswahl. Sie würden bezeugen, wie er und Felix einen Pakt besiegelten, den sie an diesem Abend in der Tankstelle geschlossen hatten. Mert beobachtete Felix, Felix schaute zurück. Ich kann dich schlagen, dachte Mert. Wenn du einen schlechten Tag hast und ich einen guten, dann kann ich dich schlagen. Auch wenn du schneller und genauer bist und mehr Varianten draufhast. Wenn ich dich erwische, wenn ich dich erst mal hart treffe, kann ich dich schlagen. Wenn du mich vorher nicht ausboxt oder nach Punkten davonkommst, wenn ich dich einmal voll erwische, dann schlage ich dich.

3
    Mert erinnert sich nicht mehr, wann er zuletzt keine Schmerzen hatte. Es muss vor zwanzig Jahren gewesen sein, als er noch jung war und mehrere Wochen zwischen den Turnieren lagen. Seitdem überlagern sich Überdehnung, Übersäuerung, Zerrungen, Muskelfaserrisse und Kapselrisse. Mal ist der Ellbogen ausgeschlagen, mal die Hüfte versteift. Die Gelenke in den Knien und den Füßen sind verschlissen. Die rechte Hand fühlt sich taub an oder schmerzt pochend, je nach Wetterlage. Dazu ein Stechen in seinem Nacken wie Kopfschmerz, wenn er keine Gymnastik macht. Und sein unterer Rücken, wo er zwei Bandscheibenvorfälle hatte, zwingt ihn dazu, ein bisschen schief zu gehen. Er kann es nur erdulden. Irgendwas tut immer weh, auch wenn er nicht an Nadja denkt. Er dreht seinen Kopf im Halbkreis hin und zurück, um das Stechen loszuwerden. Er schüttelt seine Handgelenke aus, bevor er eine Banane schält und sie in zwei Bissen hinunterschlingt. Er muss schmunzeln. Mert nimmt einen Müsliriegel aus dem Kühlschrank, schiebt den Riegel aus der Hülle, beißt ab und dehnt seine linke Schulter, während er auf der süßlichen, gummiartigen Konsistenz kaut, die nach Erdbeere schmecken soll. Er nimmt noch einen Bissen und dehnt die andere Schulter. Dann lässt er seinen Oberkörper nach vorne sinken, geht leicht in die Knie, schiebt die Finger unter

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