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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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die Zehen und drückt die Beine durch, bis der Zugschmerz in den Kniekehlen nachlässt. Er macht ein paar Sonnengrüße. Mit dem letzten Bissen Müsliriegel im Mund geht er ins Schlafzimmer, wo er sich auf den Boden vor den Ventilator legt. Er zieht sein linkes Knie über sein rechtes Bein und legt es auf dem Boden ab, ohne dabei die linke Schulter abzuheben. Dann umgekehrt. Der Ventilator quietscht von links nach rechts. Mert wartet, bis sich die Anspannung im unteren Rücken löst. Dann macht er hundert Liegestütze und hundert Bauchaufzüge, wie jeden Morgen seit hundert Jahren.
    Mert zieht sich eine kurze Hose und Socken an und klaubt ein T-Shirt vom Boden. Er riecht daran, um zu prüfen, ob er es noch einmal anziehen kann, bevor es in die Reinigung muss. Dann geht er in gebückter Haltung die schmale Treppe hinunter, um sich nicht den Kopf zu stoßen. Unten zieht er die sandigen Turnschuhe an.
    Sein Vermieter sitzt auf der kleinen Veranda direkt an der Straße. Sie führen ihre übliche Konversation. Der Vermieter sagt etwas auf Thai. Mert versucht zu erraten, was es sein könnte, und antwortet auf Deutsch. Der Vermieter wiederholt seine Worte lauter, so als würde Lautstärke das Verständnis steigern. Jeden Tag wechseln sie auf diese Weise vier bis fünf Sätze, simulieren ein Gespräch und gehen dann ihrer Wege.
    Draußen wartet schon der Hund. Er hat schwarzes, raspelkurzes Fell und weiße Pfoten, so als trüge er Bandagen. Der Hund ist kleiner, aber auch agiler als die anderen Köter, die sich am Strand herumtreiben und unter den Liegen Schutz vor der Sonne suchen. Vor einer Woche war der Hund plötzlich aufgetaucht. Er ging mit Mert laufen, mit heraushängender Zunge, die ganze Strecke und wieder zurück. Auch beim Schwimmen versuchte der Hund ihm zu folgen, traute sich aber nicht in die Wellen und hielt Wache an der Stelle, an der Mert losgeschwommen war. Als Mert eine Stunde später hundert Meter weiter aus dem Wasser kam, erkannte ihn der Hund und folgte ihm. Natürlich lag es daran, dass Mert ihm am ersten Abend ihrer Bekanntschaft etwas von seinem Essen hingeworfen hatte. Die Anhänglichkeit ist erkauft.
    »Na, läufst du mit?«, fragt Mert.
    Der Hund bellt. Mert setzt sich in Bewegung, und der Hund rennt voraus, nicht ohne sich alle paar Meter nach ihm umzudrehen.

4
    Mert hatte Nadja lange Zeit nicht wiedergesehen, sodass er nicht sicher war, ob sie sich an ihn erinnern würde. Seit der Busfahrt musste er ununterbrochen an sie denken. Er fragte sich, wie es wäre, neben Nadja aufzuwachen, mit ihr zu reden, ihre Haare anzufassen, an einem See neben ihr im Gras zu liegen. Alles, was er sah oder tat und bemerkenswert fand, wollte er ihr zeigen, wollte wissen, was sie davon hielt. Er empfand es als Besessenheit. Das Einzige, was er sich nicht fragte, war, wie es wäre, mit Nadja zu schlafen. Normalerweise war dies sein einziger Gedanke, wenn er ein Mädchen kennenlernte.
    Er traf sie erst im folgenden Herbst bei den Vorausscheidungen zur Hamburger Meisterschaft wieder. Mert hatte sich zurück ins Halbschwergewicht gehungert, wochenlang nur Salat, Gemüse, Huhn und Spinat gegessen. Kein Zucker, nicht mal in Form von Obst. Vor dem Wiegen musste er in der Sauna Seil springen, um Flüssigkeit zu verlieren. Er blieb hundert Gramm unter dem Limit.
    Mert und Felix siegten in ihren Ausscheidungskämpfen, zwei Wochen später würden sie gegeneinander antreten müssen. Nachdem sich Mert geduscht und angezogen hatte, suchte er Nadja in der Halle, konnte sie aber nirgends finden. Er trat vor die Halle und stand plötzlich vor ihr. Sie musterte ihn irritiert. In Trainingshosen sah Mert aus, als sei er darin zur Welt gekommen. In Jeans und Jacke wirkte er verkleidet.
    »Nadja«, sagte Mert.
    »Du weißt meinen Namen noch.«
    »Klar.«
    »Du bist Mert.«
    »Haben sie ja gerade in der Halle gesagt.«
    »Mert Schulz. Jesus Müller.«
    »Ach, der blöde Ali.«
    »Hat gut geboxt heute, der blöde Ali.«
    »Hat er, allerdings.«
    »Du auch.«
    »Danke.«
    »Mein Bruder auch. Musst du jetzt gegen ihn ran?«
    »Muss ich wohl.«
    »Oje.«
    »Ich freu mich drauf.«
    »Wirklich? Wie kann man sich auf so was freuen?«
    »Das müsstest du doch von deinem Bruder kennen.«
    »Der freut sich nicht auf seine Kämpfe. Der bereitet sich vor.«
    »Das mache ich auch.«
    »Aber du freust dich.«
    »Na ja, ich freue mich nicht so, wie ich mich über einen Gameboy freuen würde. Aber ich bin aufgeregt, wenn ich endlich kämpfen darf. Und

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