Schlagfertigkeit
die Antworten der Staatssekretärin brauchen. Deshalb habe ich das Mikrofon nur auf sie gerichtet. Sie hätte ja weitersprechen können, während ich das Mikro auf mich richte.“ (Jetzt ist Gelegenheit für eine „Gegendarstellung“).
„Und was wird jetzt aus dem Interview?“ – „Ich schreibe Ihnen einen Beitrag drumherum“, sagt der Reporter.
Der Wechsel der Ebenen
Unser Beispiel zeigt es schon: Durch den Wechsel der Ebenen können Sie den Verlauf der Auseinandersetzung ein wenig steuern. Wenn es Ihnen darum geht, den Angriff von sich selbst abzulenken, dann übersetzen Sie auf die „Ich-Ebene“: „Sie meinen, Sie sind belogen worden.“ Dann wird sich der Angreifer auf diese Aussage stürzen und sie kommentieren. Sie sind fürs erste nicht mehr Gegenstand des Gesprächs. Doch möglicherweise haben Sie Ihrem wutschäumenden Gesprächspartner ja etwas über sich mitzuteilen, eine Rechtfertigung. Dann ist es, wie wir gesehen haben, nicht sehr geschickt, die Rechtfertigung einfach so ungeschützt in den Raum zu stellen. Dann wird sie nämlich zermalmt. Sie können sie besser platzieren, wenn Sie sie mit einer Übersetzung auf die „Du-Ebene“ vorbereiten. Wenn in Ihrem Gesprächspartner nämlich der dringende Wunsch entsteht die näheren Gründe zu erfahren, warum Sie so gehandelt haben. Auf der „Du-Ebene“ würden Sie dann formulieren: „Sie meinen, ich hätte sie belogen.“ – „Aber nein, so war es gar nicht und Sie sagen auch gleich, warum.“
Der andere will sich aber aufregen
Nicht immer wird sich die Sache in Wohlgefallen auflösen; manchmal ist der andere Ihnen einfach böse und er wird es eine Zeitlang auch bleiben. Das müssen Sie hinnehmen und sollten es bis zu einem Grad auch respektieren. Ratschläge wie „Regen Sie sich doch nicht so auf!“ sollten Sie sich verkneifen. „Ich will mich aber aufregen!“ heißt nämlich die passende Antwort darauf.
Wenn sich der andere aufregen will – bitte sehr, es ist seine Wut, nicht Ihre. Sie sollten vielmehr Abstand gewinnen von dieser Wut und nicht noch beurteilen, ob der andere wütend sein darf oder soll oder muss. Halten Sie sich da raus. Solange Sie mit der „diplomatischen Zunge“ Ihre Übersetzungsarbeit leisten, kann Ihnen im Übrigen nicht viel passieren. Auch wenn der andere sich weiter aufregt. Sie sollten eseinmal selbst ausprobieren. Wenn Sie eine gewisse Fertigkeit im Übersetzen gewonnen haben, werden Sie erstaunt sein, wie wenig der andere im Grunde ausrichten, wenn er mit seiner Wut alleine bleibt.
Üben Sie: Der Angriff auf die Diplomatenzunge
Eine Partnerübung, bei der Sie sich gegenseitig auf die Probe stellen. Denken Sie sich zunächst irgendein realistisches Wut-Szenario aus, mit dem Sie beide etwas anfangen können. Zum Beispiel: Der „Angreifer“ ist wütend, weil der andere nicht zum vereinbarten Treffpunkt gekommen ist. Er hat lange auf ihn gewartet und allerlei Scherereien gehabt. Er hat eine wichtige Sportveranstaltung verpasst und / oder ist von Straßendieben bestohlen worden. Er hat einen Sonnenbrand bekommen, ein weiteres Rendezvous versäumt, die letzte U-Bahn verpasst und musste nach Hause laufen. Legen Sie fest, wer als erstes angreift und wer „übersetzen“ muss. Begrenzen Sie außerdem Ihre Gesprächszeit auf fünf oder zehn Minuten. Dann lassen Sie Ihr Szenario ein paar Minuten auf sich einwirken, ehe Sie beginnen. Entscheidend sind zwei Punkte: Der Angreifer sollte die ganze Zeit über wütend bleiben, wenn er mag, kann er sich richtig in seinen Zorn hineinsteigern; der andere bleibt konsequent bei seiner „Übersetzung“; es ist allerdings erlaubt, hin und wieder eine „Gegendarstellung“ einzuschalten (so wie bei der Originaltechnik ja auch). Und noch etwas: Als „Übersetzer“ sollten Sie nach Möglichkeit zwischen den verschiedenen Ebenen (→ S. 91) abwechseln.
Wenn Sie fertig sind, tauschen Sie die Rollen. Anschließend besprechen Sie: Haben Sie als Angreifer Ihre Wut tatsächlich nicht rüberbringen können? Ist es Ihnen als „Übersetzer“ gelungen, souverän zu bleiben? Haben Sie die Sachverhalte richtig übersetzt? Haben Sie sich als Übersetzer sicher gefühlt?
Schützen Sie Ihre persönliche Würde
Vielleicht haben Sie es schon bei Ihrer Übung festgestellt: Es gibt eine Grenze, bei der Sie auch mit der „diplomatischen Zunge“ kaum noch weitermachen können. Sobald Ihre persönliche Würde in Gefahr gerät, müssen Sie handeln. Sie können sich nicht mehr
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