Schlagfertigkeit
Gegenüber Ihnen die „ganze Wahrheit“ erst noch „aus der Nase ziehen“ muss. Das dehnt die Sache und verstärkt in aller Regel die Wut. Wenn Sie aber keine Anstalten machen, irgendetwas zu verschleiern, sondern selbstbewusst Ihren Fehler zugeben, dann bleibt für den anderen eigentlich nicht mehr viel zu tun. Wenn Sie außerdem glaubhaft machen können, dass „so etwas“ nicht noch einmal vorkommt, dann braucht er sich ja eigentlich gar nicht mehr aufzuregen, oder?
Regel 2: Über Beleidigungen niemals diskutieren
Ganz klar, über Kränkungen und Beleidigungen wird nicht diskutiert. Überhören Sie das wüste Geschimpfe einfach. Das bedeutet keineswegs, dass Sie sich die Beleidigungen „gefallen lassen“ oder sie sogar stillschweigend akzeptieren. Sie gehen zunächst ganz souverän darüber hinweg. Sobald Sie sich entschließen, Ihr Gegenüber darauf hinzuweisen, dass er Sie gerade beleidigt hat, müssen Sie nämlich auf eine der folgenden Arten reagieren:
Sie müssen den anderen auffordern, seine Beleidigung zurückzunehmen. Das wird er aber nicht tun, solange er noch vor Wut kocht. Dann müssen Sie aber umgehend den Raum verlassen, wenn Sie noch einen Rest von Selbstachtung behalten wollen. Das wirkt sich aber nicht unbedingt konfliktmindernd aus.
Sie bleiben und lassen es zu, dass der andere einen Kübel Mist nach dem anderen über Sie auskippt. Und was das Schlimmste ist: Der andere weiß genau, dass Ihnen das richtig weh tut.
Sie weisen den anderen darauf hin, dass er Sie gerade beleidigt hat und verlassen ohne weiteren Kommentar den Raum. Ein starker Abgang, aber besondere Sympathien werden Sie damit nicht einheimsen. Vor allem wenn sich Ihr Gegenüber kaum warm geschimpft hat, wird er es Ihnen verübeln, dass Sie so schnell das Feld räumen.
Die Wut ufert aus
Was aber noch weit unangenehmer ist: Sie fordern den anderen geradezu heraus, Sie erst richtig fertig zu machen. Anstatt seine Wut langsam im eigenen Saft verkochen zu lassen, sorgen Sie dafür, dass sie ausufert. Wie so etwas funktioniert? Zum Beispiel so:
Beispiel: Die „absolute Null“
„So was habe ich noch nie erlebt!“, brüllt der Geschäftsführer seinen Pressesprecher an. „Das Interview mit dem Marketingleiter haben Sie total verbockt! Sie sind eine absolute Null!“ – „Na, hören Sie mal“, entgegnet der, „jetzt werden Sie doch nicht gleich ausfallend.“ – „Ausfallend?“, faucht der Geschäftsführer. „Das ist eher noch verharmlosend.“ – „Also, ich bin keine absolute Null und verbitte mir solche Beleidigungen.“ – „Sie verbitten sich solche Beleidigungen, aha. Und was vor einem Jahr? Da haben Sie zu spät zu unserer Hauptpressekonferenz eingeladen. Und vor zwei Jahren? Da haben Sie die Pressemappen verwechselt. Und vor drei Jahren …“
Sämtliche Verfehlungen, an die sich Ihr Gegenüber noch erinnern kann, kommen wieder auf den Tisch. Alte Narben reißen wieder auf. Vielleicht weiß der Pressesprecher ja auch etwas zu den alten Geschichten zu sagen, und die beiden streiten erregt über Vorkommnisse, die Jahre zurückliegen.
Eine Beleidigung lässt sich nicht kommentieren
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass der Angegriffene etwas „zu den Vorwürfen sagen muss“, wenn die Vorwürfe im Wesentlichen nur aus Beleidigungen bestehen. Erinnern Sie sich an unseren „Ehekrach“ (→ S. 98): Der Ehemann kann schlechterdings nichts dazu sagen, wenn seine Frau ihn einen „rücksichtslosen Mistkerl“ nennt. Sparen Sie sich jeden Kommentar, auch und gerade wenn Sie dazu aufgefordert werden. Schweigen Sie souverän – oder schützen Sie Ihre persönliche Würde (→ S. 99).
Der Wutkeller
Ein Wutausbruch ist ein emotionaler Ausnahmezustand. Sehr hilfreich ist die Vorstellung von einem „Wutkeller“. Stellen Sie sich die Auseinandersetzung einfach so vor, als würde sie auf zwei Etagen stattfinden. Im Erdgeschoss sitzen Sie dem anderen gegenüber und klären sachlich seine Vorwürfe. Im Keller tobt er unterdessen seine Wut aus. Lassen Sie ihn dort allein und steigen Sie nicht leichtfertig zu ihm hinunter. Manchmal kehrt erstaunlich schnell Ruhe ein im „Wutkeller“.
Dann können Sie ungestört Ihr Gespräch im Erdgeschoss fortführen. Und die Wut, diese zerstörerische Energie, kann abziehen wie durch einen Kamin. Damit tun Sie nicht nur sich selbst einen Gefallen, sondern auch Ihrem Gegenüber, der außer sich geraten ist.
Sie können Wut nicht lange übergehen
Wir haben es bereits kurz
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