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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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Medizinbälle, Springseile mit abgewetzten Griffen. Es war eng und düster dort drin, und niemand ging hinein, wenn es nicht sein musste. Außer Arne.
    Er lud sich Gewichte auf, die sich kein anderer zugemutet hätte, machte Kniebeugen mit der Langhantel, immer wiederneue Sätze, noch einmal fünf Wiederholungen, bis ihm der Schweiß über den Körper floss und seine Beine zitterten. Weil ich Angst hatte, dass ihm beim Bankdrücken die Stange auf den Hals fallen könnte, sah ich manchmal nach ihm, bevor ich nach Hause ging. Oft war er tatsächlich ganz allein im Raum. Je später es wurde, desto hektischer wechselte er die Maschinen und die Übungen. »Ich muss weitermachen«, sagte er dann atemlos. »Ich muss.« Manchmal brachte er seinen großen Doppel-Kassettenrecorder mit und drehte ihn laut auf. Wir konnten es kaum mehr hören: Nirvana, immer wieder diese düsteren, aggressiven Songs von Nirvana.
    Ich dachte: Wofür bestraft er sich nur?
    Dann stellte er sich plötzlich vor den Spiegel und beäugte sich prüfend. Irgendwann sagte ich einmal im Scherz zu ihm: »Arne, ich glaube, du wirst langsam fett.« Ich erntete einen verletzten Blick.
    Arne hatte panische Angst davor zuzunehmen. Wir anderen grinsten uns an, wenn er seinen Körper vor dem Spiegel kontrollierte, sich in seine Seiten und in seinen Bauch kniff. In welchen Bauch eigentlich? Sogar mit einer Pinzette wäre man bei ihm abgerutscht. Seine Oberfläche war so glatt wie ein lackierter Kotflügel. Aber er war nie zufrieden. Er hasste Körperfett.

ALI,
    Zusammenfassung einer Tonbandaufzeichnung, Dienstag, 20. Mai 2008
    Als mich Anja auf dem Parkplatz ansprach, hatte ich ein Grinsen in meinem Gesicht, das sich unangenehm anfühlte. Arne war noch unter der Dusche, und ich dachte erfreut: Sie hat genug von ihm. Die beiden kannten sich schon mehr als ein Jahr, und Arne war verschlossener denn je.
    Ich legte den Arm um ihre Schultern und sagte:
    »Schöne Frau, was kann ich für dich tun?«
    Sie befreite sich sofort und fragte mich, ob ich ein paar Minuten Zeit zum Reden hätte.
    Zum Reden hatte ich keine Lust. Worüber wohl? Über Arne vielleicht. Er und ich hatten uns nach der WM-Panne und den Trainings-Exzessen im Herbst als Zweierpartner auseinandergelebt, ich dachte darüber nach, mich mit einem anderen Kollegen zusammenzutun und ich ahnte, dass es Arne ähnlich ging. Schon Mallorca hatte unserer Beziehung einen Knacks versetzt, und ich spürte immer wieder, dass Arne bei den Testrennen im Einer ein bisschen zu häufig zu mir herüberschaute. Und dass er genau registrierte, wenn er mich im Bankdrücken oder auch nur beim Lauftraining ausstach.
    Ich fragte lahm: »Ist was mit Arne?«
    Sie schaute mich erstaunt an.
    »Nein, wieso?«
    »Na dann …«
    Ich winkte ihr zu und wollte weggehen, aber nun hielt sie mich am Oberarm fest.
    »Ich frage mich nur, ob es richtig ist, dass ihr so hart trainiert und trotzdem so wenig esst. Ist das denn gesund?«
    Ich musste lachen.
    »Wir essen wenig? Wie kommst du denn darauf?«
    Sie zögerte.
    »Arne hat …« Sie sprach nicht weiter.
    »Na klar, Arne hat seine Launen«, sagte ich. Ich erklärte ihr, dass ein Ruderer in einer intensiven Trainingsphase mehr als 6000 Kalorien am Tag verbraucht.
    »Mein Problem ist ein ganz anderes: Wie bekomme ich all das Essen runter?«
    »Na dann …«
    Anja wirkte unzufrieden, sagte aber nichts mehr.
    Ich dachte an die sechs Brötchen, die ich locker zum Frühstück verspeiste, die drei Bratwürste, die ich oft zum Mittagessen verschlang. Oft hatte ich das Gefühl, als fiele das Essen in ein tiefes Loch, es schien verbrannt, bevor es überhaupt im Verdauungssystem ankam. Wir lachten über Schlankheitskuren. Manche von uns mussten höchstens aufpassen, dass sie nicht nur Dreck in Form von Hamburgern und Kartoffelchips fraßen, sondern vernünftige Sachen.
    Ich war eigentlich zu wählerisch mit dem Essen, darum hatte ich inzwischen sogar Schwierigkeiten, ausreichend Masse für die schwere Klasse aufzubauen. Auch aus diesem Grund beobachtete der Trainer meine Leistungen streng. Trainingssüchtig war ich auch nicht gerade, und es fiel mir schwer, mich auf dem Ergometer zu quälen. Ich offenbarte meine stärksten Momente normalerweise erst im Rennen. Das hatte zur Folge, dass die Kollegen meinen Platz in der Rangordnung viel häufiger in Frage stellten als Arnes. Sie unterstellten mir, ich profitierte bei den Zweier-Vergleichen von meinem starken Partner. Darum musste ich mehr tun als

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