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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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wichtigste Ziel hatten wir verfehlt, und Arne verkroch sich noch mehr in seinem Innenleben.
    Wie er sich mit uns fühlte, hat er tatsächlich einmal ausgedrückt – ein einziges Mal. Das war bei einer der sogenannten gruppendynamischen Sitzungen, die unser neuer Mentaltrainer mit uns veranstaltete.
    »Ich bin Herbert«, stellte er sich vor. »Ich habe einen Werkzeugkasten für euch dabei.«
    Er war um die vierzig, hatte labbrige Klamotten an und einen schlampigen Haarschnitt. Ich empfand starken Widerwillen gegen ihn.
    »Meine Aufgabe ist es, euch zur vollen Ausschöpfung eurer Möglichkeiten zu verhelfen«, dozierte er. Also gut: Für Gold taten wir alles.
    »Ihr wollt doch Olympiasieger werden«, sagte Herbert munter. »Ihr wisst, wie knapp es in der Weltklasse zugeht. Ihr braucht jeden Millimeter Vorsprung. Einer dieser Millimeter steht vor euch. Das bin ich.« Manche seiner gedanklichen Zaubertricks leuchteten mir sogar ein. Etwa, dass man seinen Zweifeln begegnet, indem man sich selbst bildlich in einer Siegerpose vorstellt. Oder dass sich die negative Energie einer Niederlage in positiven Schub verwandeln lässt.
    Arne hatte kein großes Interesse an Herbert. Er fummelte an seinem Walkman herum. Ich fand das in Ordnung, denn ich war davon überzeugt, dass er keine mentale Hilfe brauchte. Für mich hatte Arne die ideale Psyche für einen Hochleistungssportler.
    Herbert sagte, wir sollten uns selbst charakteristische Kampfnamen geben. Ich war als Erster dran und sagte spontan und wenig phantasievoll:
    »Richard Löwenherz.«
    Carol sah sich als »Darth Vader«. Sam wollte »King Kong« sein. Steuermann Little erntete einen Lacher, indem er von seinem angeblich größten Traum erzählte:
    »Einmal Gas geben können wie ein Formel-1-Weltmeister in seinem Renner. Auch wenn wir nur acht PS haben. Nennt mich am besten Bleifuß.«
    Als Arne an die Reihe kam, blieb er ganz ruhig und sagte leise:
    »Stranger.«
    Wenig später flogen wir nach Mallorca zu einem Konditionslehrgang. Wir hatten uns alle darauf gefreut, im Februar in die Wärme zu kommen. Unser Sponsor hatte uns die Reise spendiert. Der Kanal, auf dem wir üblicherweise ruderten, war in diesem Winter komplett zugefroren gewesen und zu jener Zeit immer noch nicht ganz aufgetaut. Eisschollen schwammen im Wasser und machten ein vernünftiges Training unmöglich. Aber dort wärmte die Sonne unsere Muskeln, und wir fingen an, unser Athletenleben wieder als menschenwürdig zu empfinden. Wir bekamen Rennräder, erklommen damit die Serpentinen der schmalen Inselstraßen und sausten hinterher hinunter. Um uns zu fordern, setzte der Trainer am letzten Tag ein Einzelzeitfahren an. Eine zwanzig Kilometer lange Strecke wurde festgelegt, auf einer Straße, wo wenig Autoverkehr herrschte. Die Piste begann mit einem flachen Stück, stieg dann sanft an, darauf folgte eine kleine Abfahrt und zum Finale ging es eine steile Rampe hinauf. An deren höchstem Punkt lag das Ziel. Eine Bergankunft also, eine perfekte Gelegenheit, sich selbst bis zum Erbrechen zu quälen.
    Wir hatten Funkgeräte, so dass der Trainer ziemlich genau die Zeit nehmen konnte. Vierzig Minuten würde jeder ungefähr unterwegs sein, wir starteten in Ein-Minuten-Abständen. Ich wurde als einer der ersten Starter ausgelost und fuhr ein bisschen zu heftig los, der sanfte Anstieg kostete mich so viel Kraft, dass ich später die Rampe nur noch mit Mühe schaffte. Keine gute Zeit. Ich musste mich für ein paar Minuten auf den Asphalt legen und die Übelkeit niederkämpfen. Danach schlich ich auf Gummibeinen zum Straßenrand, stellte mein Rad ab und setzte mich in die Nähe des Ziels auf eine Leitplanke, um meine Beine auszuschütteln und die Ankunft der anderen zu beobachten. Wir waren vierzehn Leute – als Letzter kam Arne.
    Sein Anblick auf den letzten Metern hat sich unauslöschlich in mein Gedächtnis geprägt. Ich war zutiefst erschrocken.
    Sein Trikot war am Rücken aufgerissen, und darunter konnte man eine blutende Schürfwunde erkennen, auch seine Knie und Ellbogen waren blutig. Es musste höllisch weh tun, doch das hielt ihn nicht davon ab, wie ein von Gespenstern Verfolgter in die Pedale zu treten. Ich hörte seine lauten Atemzüge, er beugte sich tief über den Lenker, der Kopf war hochgerissen, sein Mund weit offen, die Lippen von den Zähnen zurückgezogen, so dass ein Grinsen sein Gesicht überzog. In seinen Mundwinkeln klebte Schaum. In dem Moment, als er die Ziellinie überquerte, rannten der

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