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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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sein Gesicht. Sah die Augen in den Höhlen. Den schmalen, schneeweißen Rücken seiner Nase.
    Ich fragte:
    »Rauchst du noch?«
    Er nickte, griff unter sein Shirt und nestelte zur Bestätigung ein zerdrücktes Päckchen Marlboro hervor. Er nahm sich eine heraus, steckte sie zwischen die Lippen und sah sich um. Ein älterer Mann im beigen Anzug hatte offenbar seinen suchenden Blick aufgefangen. Er machte ein paar Schritte auf Arne zu, holte ein goldenes Feuerzeug aus seinem Jackett und hielt ihm die Flamme hin. Das Feuerzeug kam mir bekannt vor, ein altmodisches Dupont, ein ganz ähnliches war vor sieben Jahren aus Versehen neben Arne im Gras gelandet.
    Arne sog den Rauch geräuschvoll durch die Zähne und inhalierte tief mit zurückgezogenen Lippen. Sein Zahnfleisch wirkte geschrumpft und hatte eine ungesunde Farbe. Er stieß eine Rauchwolke hervor, die nur knapp an dem Mann vorbeiwehte. Kurz darauf hustete er.
    Der Mann schaute ihn nachdenklich an.
    »Rauch nur, Junge«, sagte er. »Viel Zeit hast du nicht mehr dazu.«
    Arne schien ihn nicht verstanden zu haben.
    Ich machte einen Schritt auf den Mann zu, wollte ihn zurechtweisen, hielt aber plötzlich inne, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Ungerührt zupfte er mich am Ärmel und sagte:
    »Kann es sein, junge Frau, dass Sie Ihrem Freund seine Suppe wegessen?«
    Ich sagte ihm, er solle uns in Frieden lassen. Arne rauchte gleichgültig. Der Mann ging weiter, wir auch.
    Nach ein paar Metern hielt Arne die Hand vor seine Augen und sagte, ihm werde schwindlig. Ich zeigte auf die Eisdiele.
    »Komm«, sagte ich. »Dort können wir uns setzen. Nur auf einen Kaffee.«
    Ich steuerte auf die kleinen Aluminiumtische zu, die auf der Straße standen. Einer war noch frei. Ein Kellner mit langer weißer Schürze kam mir mit einladender Miene entgegen. Dann sah er Arne hinterherkommen. Er stockte abrupt und wich so heftig zurück, dass er einen der leichten Metallstühle umstieß. Beflissen entschuldigte er sich, schaffte es aber nicht, den Schrecken aus seinem Gesicht zu verbannen.
    Wir setzten uns an das runde Tischchen, ich bestellte einen Cappuccino und einen Espresso. Er sagte dem Kellner, dass er keinen Zucker nehmen werde. »Sie können also das Geld für den Zucker vom Preis abziehen«, erklärte er.
    Ich legte eine Hand auf den Verband an seinem rechten Unterarm. »Lass nur, Arne, ich werde zahlen.«
    Er streckte seine Beine unter den Tisch. Und schwieg. Als der Espresso kam, trank er ihn sofort aus. Ich rührte im Cappuccinoschaum und fragte so beiläufig wie möglich, ob er Ali in letzter Zeit einmal wiedergesehen hatte.
    Arne schüttelte den Kopf.
    »Nur einmal vor ungefähr einem Jahr. Beim Training am Stützpunkt.«
    »Wie geht es ihm denn?«
    Arne zuckte mit seinen knochigen Schultern und setzte das leere Espressotässchen noch einmal an seine Lippen.
    »Ich glaube, er war nicht besonders gut in Form.«
    Ich bestellte ihm noch einen Espresso, den er wieder schwarz hinunterstürzte. Er fing an, sachte über die Oberfläche seiner Verbände zu kratzen und sagte nichts mehr.
    Ich dachte an Ali und seine Witze. Ich bereute, dass ich mich nie darum bemüht hatte, ihn wiederzusehen. Jetzt war es zu spät, Hubertus hatte bereits Verlobungsringe gekauft. Ich schaute auf die Uhr – wir waren erst seit einer Dreiviertelstunde unterwegs. Plötzlich fing Arne von sich aus zu reden an.
    »Ich habe viel geschafft in der letzten Zeit.«
    Fragend sah ich ihn an.
    »Ich meine … Ich habe zum Beispiel gelernt, ohne Schlaf auszukommen.«
    »Ohne Schlaf?«
    »Ja«, sagte er achselzuckend. »Man kann alle seine Bedürfnisse abschaffen, wenn man will.«
    Ich hätte mir am liebsten eine Notiz gemacht für das fast leere Heft mit der »unfreiwilligen Poesie«. Stattdessen fragte ich: »Ist das nicht ungesund?«
    Er schaute in sein Tässchen und sagte nichts mehr.
    »Wenn es dir bessergeht, können wir uns die Auslagen des neuen Sportgeschäfts ansehen«, schlug ich vor.
    Er nickte. Ich winkte dem Kellner und zahlte. Der schaute mich mitleidig an und raunte durch die Nase: »Krebs?«
    Arne stand auf, und ich hörte wieder, wie schwer er atmete. Er war 33 Jahre alt.
    Er ging noch langsamer als zuvor, seine Schultern fielen nach vorn, und doch überragte er die Menge. Im Bemühen zu verschwinden, war er immer noch auffälliger geworden. Ich sah wieder, wie Passanten ihn mitleidig anblickten, andere gafften hemmungslos.
    Arne drehte sich plötzlich zu mir um.
    »Sie halten mich

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