Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlangenaugen

Schlangenaugen

Titel: Schlangenaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
Vom Netzwerk:
Spielers folgten den elfenbeinfarbenen Würfeln in Ellingtons Hand. Er spürte wieder diese Nervosität in seinen Fingern.
     "Na schön, aber nur ein Spiel."
    "Jeder drei Würfe. Du kannst auch für deinen Freund würfeln, mir gleich. Was ist euer Einsatz?"
    Damit hatte der Offizier ihren wunden Punkt getroffen. Die beiden Freunde besaßen nichts außer dem, was sie am Körper trugen und ihre Pferde, und das alles brauchten sie noch. Mit ein paar Kupfermünzen würde der Major nicht zufrieden sein.
    "Sorry, aber wir sind so ziemlich blank", erwiderte André.
    "Kein Problem, mein Junge", meinte Ellington jovial, während er innerlich frohlockte. "Wir spielen um eine Uniform für jeden von euch."
    "Was?"
    "Ein Jahr in meiner Einheit, wenn du verstehst. Da ihr aus dem Süden kommt, könnt ihr uns als Kundschafter gute Dienste leisten. Oder habt ihr etwas Besseres vor?" Der letzte Satz klang wie eine unterschwellige Drohung.
    Währenddessen hatten sich Ellingtons Männer im Kreis um sie herum aufgestellt und versperrten ihnen den Ausgang. André und Joe bemerkten beide, dass die Situation für sie brenzlig wurde. Sie waren gezwungen, auf die Forderung des Majors einzugehen, wenn sie den Saloon lebend verlassen wollten. In Grenzstädten wie Jellico herrschte das Recht des Stärkeren. André blieb nichts anderes übrig, als nachzugeben.
    "Also gut, jeder drei Würfe", murmelte er.
    Der Kreis der Blauuniformierten schloss sich enger um sie, als die drei sich an einen der runden Tische setzten.
    Ellington würfelte zuerst. Zwei Vierer.
    Dann André. Eine Sechs und eine Zwei. Gleichstand. Das Glück schien auf ihrer Seite zu sein. Der nächste Wurf. Wieder Gleichstand. Jeder würfelte zwei Sechsen. Ellington knurrte leise vor Enttäuschung.
    Der letzte Wurf. Ellington erreichte eine Drei und eine Eins.
    André betete im Stillen um göttlichen Beistand, doch dann fiel ihm ein, welche Schuld er bereits auf sich geladen hatte. Ergeben würfelte er ein letztes Mal. Die hellen Quader hüpften über den Tisch, als er sie aus seinen Händen entließ und kamen endlich zitternd zur Ruhe. André erstarrte und schloss für eine Sekunde die Augen. Er glaubte, nicht richtig zu sehen: Die Würfel zeigten seinen Fluch: Schlangenaugen - zwei Einser.
    Ellingtons Gesicht zierte ein breites Grinsen. Joe verdrehte die Augen. Seine Flucht war in Jellico zu Ende. Es ging zurück in den Süden! Als Schwarzer lernte man früh, sich in sein Schicksal zu fügen! Auch André fluchte innerlich, biss jedoch die Zähne zusammen. Er versuchte dennoch, der Sache etwas Gutes abzugewinnen: In der Armee würde man Josephs verletztes Bein wenigstens fachgerecht ärztlich versorgen. Zum ersten Mal in seinem jungen, verkorksten Leben war ihm ein anderer Mensch wichtiger als er selbst!
    * * *
    Sechs Monate später.
    Der Krieg hatte Louisiana erreicht. Die Nordstaatensoldaten trieben die Grauröcke vor sich her und drangen immer tiefer in die letzten Hochburgen der Sklaverei ein. Immer mehr entlaufene Farbige hatten sich auf die Seite ihrer Befreier geschlagen und trugen nun ebenfalls eine blaue Uniform. Die Südstaatenarmee litt dagegen unter mangelndem Nachschub an Material, Vorräten und Soldaten. Plünderungen waren die Folge. Städte, Farmen und Plantagen bluteten aus. Hunger und Krankheiten verbreiteten sich vor allem in den Sumpfgebieten rasend schnell. Der Stolz des Südens schrumpfte mit jeder verlorenen Schlacht. Nur noch selten erklang der "Dixie", die alte Südstaatenhymne, die früher jeder aus vollem Herzen mitsang. Es war still geworden und abends hörte man nur noch das laute Zirpen der Zikaden. Nach Sonnenaufgang jedoch wurde dieses wieder vom nahenden Kanonendonner übertönt.
    So auch an diesem Morgen, als McMillan auf der Veranda seines Hauses stand und in die anbrechende Morgendämmerung starrte. Seine Augen waren rot und geschwollen. Er trank zuviel in letzter Zeit. In der linken Hand hielt er noch eine halbleere Scotchflasche. Die zweite in dieser Nacht. Als er in Richtung der Sklavenhütten blickte, bemerkte er die Ruhe, die dort herrschte. Keine kreischenden Kinder, keine Feuer, kein Gesang, nichts. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass er ganz allein auf der Plantage war. Er keuchte.
    "Teufel auch! Ihr elenden Feiglinge, sollen euch doch die Alligatoren fressen!", brüllte er und trank noch einen weiteren Schluck. Die Kanonen am Horizont brüllten zurück.  
    In dem halben Jahr unter der Knute von Major Ellington taten André Duval

Weitere Kostenlose Bücher