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Schlangenaugen

Schlangenaugen

Titel: Schlangenaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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vorsichtig näher. Die Türe war nur angelehnt. Er schob sie ganz auf und erstarrte für einen Augenblick:  
    In dem großen braunen Ledersessel hinter dem Schreibtisch saß zusammengesunken Ibrahim McMillan, den massigen Kopf auf der Brust, beide Arme hingen schlaff herunter. Seine Kleidung bestand aus einem mit braunen Flecken übersäten Hemd und einer Hose, die er offensichtlich auch schon mehrere Tage trug. Von seiner früheren Arroganz war nichts mehr zu sehen. Leere Whiskey- und Gin-Flaschen lagen überall auf dem Boden herum. Erst ein lautes Schnarchen überzeugte den jungen Mann davon, dass der Plantagenbesitzer noch am Leben war und nur seinen Rausch ausschlief.
    André hatte bemerkt, dass Joe sich nicht mehr in der Küche befand und lief mit dem gefüllten Vorratssack die Stufen hinauf. Wenig später tauchte er in Josephs Rücken auf. "Was, zum Teufel, machst du hier?", rief er aus.
    Joe konnte gerade noch auf den schlafenden Master im Sessel deuten, als dieser röchelte und mit einem Hustenanfall hochschreckte. McMillan erfasste trotz seines brummenden Schädels, dass sich Eindringlinge in seinem Haus befanden. Er wollte aufspringen, doch seine rasenden Kopfschmerzen ließen ihn mit einem Stöhnen zurücksinken. Er riss die Augen weit auf, starrte auf die beiden jungen Männer und begriff erst jetzt, dass er Joseph, seinen leiblichen Sohn, vor sich hatte. Den größeren Mann neben Joseph kannte er nicht.
    "Du?", knurrte er und hustete erneut. "Bist du gekommen, um dem Untergang der Cloudy Moon beizuwohnen? Oder willst du dir nehmen, was dir eigentlich zusteht, als mein Sohn?" Zynismus triefte von seinen Lippen. Dabei deutete er auf den vollen Vorratssack in Andrés Händen.
    Mühsam erhob er sich nun doch aus dem knarzenden Lesersessel und schlich mehr als er ging zu dem Bildnis seiner Frau, welches den Wandsafe verbarg. Es schien ihm egal zu sein, dass die ungebetenen Gäste ihn bei seinem Tun beobachteten und sich eventuell den Zahlencode merkten. Er entnahm dem Tresor einen pergamentfarbenen Umschlag und reichte ihn Joseph, der ihn mit erstauntem Blick entgegen nahm.
    "Hier, mein Junge, alles, was zu dieser Plantage gehört, die Felder, die Stallungen, einfach alles gehören nach meinem Ableben dir. Ich habe mein Testament auf deinen Namen geändert. Du kannst es dir jederzeit nehmen, wenn mein letztes Stündlein geschlagen hat. Ich hab eh´ nicht mehr lange. Allerdings wirst du auch nicht mehr allzu viel davon haben. Der verdammte Krieg wird uns alle vernichten. Jawohl, alles, was ich mit meiner Hände Arbeit über Jahrzehnte aufgebaut habe, wird dieser Krieg verschlingen. Die Plantagen unserer Nachbarn haben sie bereits in Brand gesetzt, die Ernten sind hinüber. Unsere eigene Ernte verfault auf den Feldern. Sie haben mein Vieh und meine Nigger geraubt. Die letzten feigen Weiber sind davon gelaufen und jetzt bin ich ganz allein. Ganz allein", lallte er lautstark durch den Raum. Er stolperte vorwärts, hielt sich an der Lehne des Sessels fest, drehte sich um seine eigene Achse und ließ sich wieder in den Sessel fallen.
    "Der Teufel soll euch alle holen, alle, jawohl", murmelte er. Dann sank sein Kopf erneut auf die Brust, als hätte ihn die Aufregung erschöpft. Erneut war er eingeschlafen. Er brabbelte noch unverständliches Zeug, als Joe und André das Zimmer eilig verließen. Joseph hielt immer noch den Umschlag in seiner Hand.  
    "Los, komm jetzt, wir müssen weg hier!", drängte André, als von draußen der Kanonendonner näher kam. So nahe, dass einige der Fensterscheiben erzitterten. Joe stopfte das Testament in sein Hemd und beide eilten durch das Foyer zur zweiflügeligen Vordertür. Kaum hatten sie diese geöffnet, blieben sie erneut wie angewurzelt stehen.
    * * *
    "Sieh da, welche eine Überraschung am späten Abend. Haben wir doch zwei Plünderer auf frischer Tat erwischt. Hoffentlich wisst ihr, welche Strafe darauf steht!", klang eine grimmige, befehlsgewohnte Stimme ihnen entgegen. Vor ihnen stand eine Einheit der Nordstaatenarmee, in der Mitte ein Offizier auf einem Schimmel. Den Sternen nach ein General, von der Gestalt her ebenso knochig wie sein Pferd. Doch seine Miene war noch unfreundlicher als die von seinem Gaul.
    An seiner linken Seite baumelte ein Säbel. Die Männer um ihn herum waren zu Fuß. Sie trugen zerrissene und schmutzige Uniformen, Gewehre mit aufgepflanzten Bajonetten und machten einen müden und abgekämpften Eindruck. Einige von ihnen stützen Verwundete, wieder

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