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Schlangenaugen

Schlangenaugen

Titel: Schlangenaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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andere trugen diejenigen, die nicht mehr gehen konnten, auf einer Bahre. Offenbar die Vorhut einer Rebellenarmee, deren Geschütze immer noch ertönten, um die heranrückenden Nordstaatler aufzuhalten. Die Konföderierten zogen sich immer tiefer in den Süden zurück.  
    "Männer, wir bleiben heute Nacht hier. Durchsuchen wir das Haus! Wir brauchen Vorräte. Ladet alles Brauchbare auf die Wagen. Was ihr sonst noch findet, könnt ihr behalten." Das klang wenig nach einem ehrbaren Soldaten und Joe fragte sich unwillkürlich, wer hier die Plünderer waren. Weder er noch sein Freund wagten es, dem Befehlshaber zu widersprechen oder sich zu rechtfertigen. Das hätte ihre Situation nur verschlimmert. Die Infanteristen drangen ungeordnet in das Herrenhaus ein und verteilten sich in den Räumen. Rücksichtslos rissen sie Schranktüren auf und Schubladen heraus auf der Suche nach Wertgegenständen.
    "Führt die Gefangenen ab und sperrt sie ein. Bewacht sie gut, wir werden uns später mit ihnen beschäftigen!", erklang ein weiterer Befehl, bevor der General von seinem Pferd abstieg und die Zügel seinem Adjutanten in die Hand drückte, um sich ebenfalls drinnen umzuschauen.
    Wenige Sekunden später ertönte ein einzelner Schuss hinter ihnen im Haus. Joseph wusste in diesem Augenblick, dass sein Vater tot war.  Es berührte ihn nicht einmal. Auch die Tatsache, dass die Plantage jetzt eigentlich ihm gehörte, wurde ihm in diesem Augenblick nicht bewusst. Seine Gedanken drehten sich darum, dass sie wegen Plünderei verurteilt und aufgehängt werden würden. Soldaten fackelten da nicht lange, und im Krieg war ein Menschenleben noch weniger wert als sonst in diesem verfluchten Land. André machte ebenfalls ein besorgtes Gesicht. Offenbar ging ihm das Gleiche durch den Kopf. Fliehen wäre sinnlos gewesen, dann wären sie auf der Stelle erschossen worden.
    Zwei der Gefreiten rissen André den Sack mit den Vorräten aus der Hand und stießen die beiden jungen Männer mit ihren Gewehrläufen an. "Na los, mitkommen! Vielleicht werfen wir euch den Alligatoren vor! Dann sparen wir uns den Strick.", grinste einer von ihnen in Vorfreude auf ein Spektakel. Der andere nickte. "Aber erst nach dem Essen!" Sie lachten. Es war ein gemeines Lachen.  
    Dann sperrten sie die Gefangenen in eine der leeren, fensterlosen Sklavenhütten, die eher einem Verschlag für Tiere glichen, und legten einen Querbalken vor die Holztür.  Davor postierte sich einer der Soldaten. Derweil traf auch der Rest der Truppe mit den Wagen und Haubitzen auf der Plantage ein und nahm diese gänzlich als Quartier in Besitz. Sie fingen und schlachteten die letzten Hühner und nahmen alles Essbare aus den Vorratsräumen mit. Außerdem Gemälde, Schmuck und allerlei Dinge, die sie als wertvoll erachteten. Mit der restlichen Einrichtung gingen sie wenig pfleglich um. Auch McMillans Weinkeller musste dran glauben. Die Blauröcke feierten an diesem Tag ein rauschendes Fest. Mehrere Lagerfeuer brannten, denen die edlen Möbel ebenso zum Opfer fielen wie Bücher und Vorhänge.
    Ihr General schaute unbeteiligt dem Treiben seiner Leute zu, während er sein gebratenes Huhn verspeiste. Er musste seine Männer bei Laune halten, denn er wollte sie noch nach Baton Rouge führen, um dort den Hafen zu besetzen. Das würde ihm Anerkennung und Ruhm einbringen, vielleicht sogar einen Orden.
    André und Joseph sahen sich in der spartanischen Sklavenunterkunft um, die einem Bretterverschlag glich. Ein paar Tongefäße, die Feuerstelle, über der ein eiserner Kessel hing und eine mit Stroh und Decken ausgelegte Schlafstätte. Das war alles. Sie ließen sich resigniert auf dem Strohlager nieder.
    "Wir sollten uns schnell etwas einfallen lassen", meinte André.
    "Vielleicht ist unser Weg aber auch hier zu Ende", murmelte Joseph. "Seit wir die "Kane" verlassen haben, sind wir auf der Flucht und ständig wird unser Leben bedroht. Vielleicht ist das unsere Strafe für Strattons Tod."
    "Red' keinen Unsinn. Das war Notwehr! Das weißt du genau!" Andrés Stimme klang fast flehend und doch hilflos. Zu gern hätte er diesen Vorfall ungeschehen gemacht. Joe blickte ihn an. André erwiderte seinen Blick voller Wärme und Zärtlichkeit. Darin die Bitte, ihm zu verzeihen.
    "Vielleicht sind wir beide verflucht", sagte der gutaussehende Spieler leise, und diesmal schien es nicht so, als würde er über Stratton sprechen, sondern etwas ganz anderes meinen. Statt einer Antwort beugte Joe sich vor und legte die

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