Schlangenblut (German Edition)
Masse nach der anderen, obwohl sie wusste, dass sie unmöglich alle Schlangen erschießen konnte. Ein bloßer Instinkt, der sich nicht unterdrücken ließ. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Wie zum Teufel hatte das passieren können? Sie zügelte ihren inneren Monolog und versuchte, den Überblick zu bewahren.
Eine weitere Mokassinschlange schoss wie ein tödlicher Torpedo durchs Wasser auf sie zu, doch zwei Artgenossen fingen sie ab. Das Wasser schäumte, als die wütenden Schlangen aufeinander losgingen.
Eine Kupferkopfschlange, die ins flache Wasser gefallen war, glitt über Lucys Stiefel. Lucy zwang sich stillzuhalten, um sie nicht zu provozieren, obwohl sie eine Gänsehaut hatte und ihr Finger sich am Abzug anspannte. Dann aber gelang es ihr, alle in ihrer DNA eingeprägten Urinstinkte zu verleugnen und ihre Waffe ins Holster zu stecken.
»Werft mir Handschellen zu«, wies sie ihre Leute an. Ein Staatspolizist drückte Walter mit einer Hand gegen die Wand und warf ihr mit der anderen ein Paar Einweg-Handschellen zu.
Lucy fing sie auf und setzte Norma rasch außer Gefecht. Die Frau kämpfte noch immer gegen sie, ohne sie direkt anzugreifen; sie wand sich lediglich, warf ihr Gewicht hin und her und stieß schreiend unzusammenhängende Worte aus, dazwischen immer wieder ein »Amen!«.
»Alle ruhig bleiben«, befahl Lucy und versuchte, sich selbst daran zu halten, obwohl das Adrenalin ihre Nerven förmlich zucken ließ.
Die anderen Schlangenbeschwörer beteten weiter und leierten nun Psalm 123 herunter. Lucy verdrängte ihr Gemurmel. Über den Schatten des Todes wollte sie nun wirklich nicht nachdenken.
»Vielleicht sollten wir es mit einem Taser versuchen?«, rief Fletcher vom Rand des Beckens aus. Er war zwar eigentlich nur für die technische Seite von Observationen zuständig und kein Polizist im Außendienst, aber in diesem Moment der Einzige, der überhaupt einen Vorschlag machte, wie man den Schlangen beikommen könnte. »Um die Viecher so lange zu betäuben, bis wir Sie herausziehen können.«
»Geht nicht, das Wasser würde den Strom ableiten.«
Norma ließ sich plötzlich sacken und riss dabei Lucy beinahe mit nach unten. Lucy zog sie wieder hoch.
»Gegen den Willen Gottes kommen Sie nicht an«, rief Walter Lucy zu, als zwei Jungs von der Staatspolizei ihn zur Tür brachten. Seine Worte übertönten nur mit Mühe das fieberhafte, schnarrende Geräusch, das von den Klapperschlangen ausging.
»Ihr müsst doch irgendeine Möglichkeit haben, die Schlangen zu beruhigen.« Lucy vermied jede plötzliche Bewegung, denn der Weg zu ihrer Rettung führte über einen Teppich von Schlangen. Sie hielt Norma fest umschlungen, bis die Frau sich beruhigte. Das hielt eine junge Klapperschlange nicht davon ab, sich aufzubäumen und drohend ihre Fangzähne zu präsentieren, aus denen bereits das Gift tropfte.
Lucy starrte sie an. Das Zischen des Reptils schien sich in ihren Nerven fortzusetzen, bis ihr eigener Körper zur selben Melodie summte.
»Geh weg. Verpiss dich«, sagte sie in ihrer besten mütterlichen Stimme, während sie sich zwischen die Schlange und Norma stellte.
»Schlangen haben keine Ohren«, erklärte Fletcher, auch wenn das in diesem Augenblick wenig hilfreich war.
Lucy starrte das Reptil weiter unverwandt an, bis dieses sich ein letztes Mal schüttelte und dann zu seinen Artgenossen auf einen anderen Teil des Mauervorsprungs abzog.
»Wir bewähren uns vor Gott, indem wir uns dem Bösen in seiner natürlichen Gestalt stellen«, dröhnte Walters Stimme durch den kleinen Raum. »Wir rechnen damit, gebissen zu werden – Gott allein entscheidet, ob wir überleben oder sterben. So haben wir auch Normas Tochter verloren. Durch Gottes Willen. Und dann brachte uns Gottes Wille Sie und Katie.«
»Tut mir leid, aber Katie ist nur eine Puppe. Und wenn Sie uns nicht helfen, heil hier rauszukommen, wird man Sie wegen Angriffs mit einer tödlichen Waffe und versuchten Mordes an einer FBI -Agentin zur Rechenschaft ziehen.«
Lucy bluffte nur. Sie hatte keine Ahnung, in welchen Punkten die Staatsanwaltschaft Anklage erheben würde – falls es überhaupt zu einer Anklage käme. Die Strafverfolgungsbehörden des Bundes waren dafür berüchtigt, bei nicht eindeutigen Fällen gern zu kneifen. Und das hier war so ein Fall. Was für eine Scheiße. Ihr Chef würde sich totlachen. Er amüsierte sich immer köstlich über verrückte Geschichten von Einsätzen, bei denen etwas schiefgelaufen war. Aber vorher würde
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