Schlangenblut (German Edition)
etliche Kanadier über die Grenze gelockt – daher die Notwendigkeit, bei der Sondereinheit auch jemanden von der Einwanderungs- und Zollbehörde dabeizuhaben.
Als ziviler Kriminaltechniker – er war noch nicht einmal ein richtiger Agent seiner Behörde – war Fletcher voller Stolz auf den Erfolg ihrer Operation. Lucy hatte ihm bereits die Bitte abschlagen müssen, eine aktivere Rolle spielen zu dürfen, wenn am Tag darauf ihre nächste Gruppe von Sextouristen eintraf. Unangenehmer, als einem Kind zu erklären, dass es an Halloween nicht von Haus zu Haus ziehen darf.
Er folgte ihr auf dem Fuß, als sie zu seinem SUV ging, der nun drei Meter neben dem Lieferwagen geparkt war, in dem »Katie« schlief. Sie öffnete die Hecktür des Blazer und setzte sich mit wackligen Knien auf das Trittbrett.
Mit zittrigen Fingern holte sie ihren Ehering hervor und führte ihn an die Lippen. Ihr Puls normalisierte sich allmählich, als sie den Ring wieder dahin schob, wo er hingehörte. Sie griff nach ihrer Tasche, schnappte sich eine Wasserflasche und nahm einen tiefen Schluck. Dass dabei ihre Bluse nass wurde, kümmerte sie nicht.
Dann schüttete sie den Schlamm aus den Stiefeln und suchte Arme und Beine erneut nach Bissspuren ab. Sie hatte schon erlebt, dass Kollegen angeschossen worden waren, ohne es zu merken. Als sie nichts fand, wackelte sie mit den nackten Zehen in der Sonne und genoss die Wärme.
Der bloße Gedanke, ihrem Mann Nick einen Klapperschlangenbiss erklären zu müssen, ließ sie zusammenzucken. Auch wenn Megan sie dann womöglich wieder auf ihre »cool«-Liste gesetzt hätte – was natürlich eine willkommene Abwechslung gewesen wäre, nachdem die Zwölfjährige ihr in letzter Zeit nur noch die kalte Schulter gezeigt hatte.
»Ich kann es gar nicht erwarten, ihren Computer in die Finger zu kriegen und herauszufinden, was sie sonst noch alles vorhatten«, plapperte Fletcher, während er seine Überwachungsausrüstung wieder einpackte. »Ach, übrigens, Ihr Handy hat ständig geklingelt.«
Er gab es ihr, und sie warf einen Blick auf die verpassten Anrufe. Alle von Megan. Dazu mehrere Anfragen per SMS , ob der Arzttermin verschoben war.
Verdammt, es passte ihr gar nicht, jetzt zu gehen. Andererseits gab es hier nur noch Papierkram zu erledigen. Nichts, wozu man sie unbedingt gebraucht hätte. Genau genommen wäre sie an einem Samstag überhaupt nicht hier angerückt, wenn sie nicht die einzige Frau in ihrem Team gewesen wäre, die als geeignet für Undercover-Arbeit galt; stattdessen hätte sie zu Hause herumgesessen und sich darauf gefreut, am Montag wieder zur Arbeit zu dürfen, um sich durch Papierberge zu wühlen und Berichte zu studieren.
An diese Folgeerscheinung ihrer Beförderung hatte sie sich noch immer nicht gewöhnt, und sie hegte gewisse Zweifel, jemals in der Lage dazu zu sein – sie liebte den Außendienst. Früher hatte sie ihren Kollegen immer erklärt, dass aufsichtsführende Special Agents des FBI niemals selbst Verhaftungen vornahmen, sondern entsprechende Einsätze lediglich überwachten und danach sämtliche Lorbeeren einheimsten. Nun aber, da sie selber ein solcher aufsichtsführender Special Agent war und ihr eigenes Team hatte, suchte sie stets nach einer Möglichkeit, sowohl die Leitung vor Ort zu übernehmen als auch den Verwaltungskram zu erledigen.
Wie immer wollte sie alles, und für gewöhnlich fand sie auch einen Weg, um ihren Willen zu kriegen.
Fletcher kam mit einem Schlüsselbund in der Hand zurück. »Der Wagen muss sowieso zurückgebracht werden. Warum nehmen Sie ihn nicht einfach?«
Sie zögerte, wider alle Vernunft. Männer und Frauen mit Schusswaffen und den verschiedensten Rangabzeichen wuselten in einer äußerst effizienten Choreographie über den Parkplatz. Die Angehörigen der FBI -Sondereinheit für Sexualdelikte unterstanden mehreren Behörden: Neben ihrem eigenen FBI -Team waren auch Agenten der Einwanderungs- und Zollbehörde ICE sowie Beamte der Staatspolizei von Pennsylvania dabei. Und in ihrem Büro gesellten sich zu den Genannten noch die Taskforce für Computerkriminalität, die Leute von der Operation Predator und der Innocent Images Initiative und sogar ein paar Inspektoren von der Post sowie Agenten von der Steuerbehörde IRS .
Manchen mochte das wie ein kunterbunt zusammengewürfelter Haufen erscheinen, in dem erfahrene Praktiker von der vordersten Front neben Computerfreaks wie Fletcher tätig waren. Aber es war ihr Team, und sie ließ
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