Schlangenfluch 2: Ravens Gift (German Edition)
sah ihm vorwurfsvoll aus dem Badezimmerspiegel entgegen. „Mach dir nichts vor, Laurens Johannson. Es ist nicht das Wer-liegt-oben-und-wer-unten-Spiel.“ Es war Samuels schmerzverzerrtes Gesicht auf einem beschissenen Foto, das sein beschissener Vater ihm geschickt hatte, das dessen beschissene Assistentin heimlich aufgenommen hatte. Und was hatte diese Spannerin gefilmt? Wie Samuels beschissener Stiefvater ihn auf beschissene Weise bestiegen hatte. Laurens quetschte die Zahnpastatube so fest, dass alles herausquoll und sich auf dem Badevorleger kringelte. „Ich muss mich entspannen, dann geht das schon.“ Sein Atem beschlug am Glas. Auch mit einer halben Flasche Gleitgel im Hintern hatte er nicht entspannen können. Er sollte mit jemandem über seine Hemmungen reden. Bei keiner Frau hatte er jemals auch nur ansatzweise derart massive Erregungswellen aushalten müssen, wie unter Samuels Zuwendungen. Seit er in Mhorags Manor war, war seine Orgasmusrate um mindestens achthundert Prozent gestiegen, aber alles Hand oder Mund gemacht. Damit hatte er kein Problem. Im Gegenteil, Samuels sinnliche Lippen um sich zu spüren, war ein Traum. Er durfte nicht daran denken. Samuel war nicht hier und sicher stand ihm nach dieser demütigenden Nacht nicht der Sinn danach, ihn für seine Feigheit auch noch zu belohnen.
Rasieren, duschen, anziehen, hinunter in die Küche gehen, um sich von einer mürrisch dreinschauenden Erin ein Spiegelei auf den Teller klatschen zu lassen. Starker Beginn für einen Sommertag in den schottischen Highlands.
Laurens stocherte im gelben Glibber. Samuel sollte stolz auf ihn sein. Im Bett, beim Schwimmen, im Alltag. Stattdessen fürchtete er sich vor dem See, sprang Samuel nicht nur von der Bettkante, sondern gern auch mal vom Schreibtisch, von der Kommode oder robbte ihm vom Teppich. Und wenn ’ s ganz dick kam, plärrte er ihn nachts wegen seiner Albträume voll. Ein Wunder, dass Samuel ihn nicht längst zum Teufel gejagt hatte.
Laurens stach auf die Butter ein, die im Prinzip unschuldig war. Fast so unschuldig wie er selbst. Nicht mal vögeln ließ er sich.
„Soll heute schön werden.“ Erin schwappte Kaffee in seine Tasse. „Was machst du, bis Samuel zurück ist? Zeichnen?“ Ein verräterischer Seitenblick streifte ihn. Mochte sie seine Zeichnungen nicht? Er war stolz darauf, wie er es mittlerweile vermochte, das Schillern der Schuppen unter dem Einfall diverser Lichtquellen hinzubekommen. Sonnenlicht, Kerzenschein, Neonröhre, die Funzel an Samuels Zimmerdecke. Und erst der Übergang von Schuppen zu Haut; eine wahre Herausforderung. Vor allem an den Leisten oder der Innenseite der Oberschenkel.
Um nicht ungerecht zu sein, bohrte Laurens diesmal die Gabel ins Ei, das nicht schuldiger als die Butter war. Samuels Anblick war eine Herausforderung und seine Zärtlichkeiten eine Offenbarung. Und er versaute es.
„Ich bin ein Versager.“
Erin nickte, ohne zu ihm herüber zu sehen. „Mmh, soll vorkommen. Allerdings in deinem zarten Alter?“ Mit einem Blick das wäre uns damals nie passiert setzte sie Teewasser auf.
„Ich glaube, du missverstehst mich.“ Seine Ohren pochten vor Hitze. „Ich meinte ...“
„Ich will nicht wissen, was du meinst. Iss dein Frühstück.“
Ihr wissender Blick legte eine Brandspur aus Scham und Reue durch seine Seele.
Samuel hatte ihn gewarnt. Er müsse leiser sein. Nur wie er das anstellen sollte, hatte er nicht gesagt. Unter dem Kissen erstickte er. Das ging nur für einen Moment. Und Samuels Küsse eigneten sich auch nicht, seine Lustschreie zu dämpfen. Egal, wie fest Samuel dabei seine Lippen auf Laurens’ Mund presste.
Das lag an der Art, wie Samuel in diesen Augenblicken küsste, wenn die Lust ihn selbst am Wickel hatte. Nichts Zartes, nichts Beruhigendes. Oh nein. Das waren Wahnsinnsküsse. Laurens hatte noch nie vorher einem Menschen vor Erregung in den Mund gebrüllt.
Erins graue Strähnen wippten im Takt zu den Bewegungen, mit denen sie ein weiteres Ei in der Pfanne malträtierte. „Wusstest du, dass Samuels Schuppen bei seiner Geburt durchsichtig waren?“ Von jetzt auf gleich verschwand die ewig strenge Miene und sie lächelte liebevoll den Pfannenwender an. „Grün wurden sie erst später, als er sieben war.“ Sie schleuderte das Ei in der Pfanne, dass das Bratfett bis zur Kaffeemaschine spritzte. „Eigentlich sind es nicht die Schuppen, die grün sind. Es hat etwas mit dem Lichteinfall auf die Haut darunter zu tun. Die muss farbig
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