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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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gegangen.
    Mir fiel der Ausdruck auf Walters Gesicht wieder ein, als er gesagt hatte: »Und nachdem… was sie mit ihm gemacht haben …«, und ertappte mich dabei, wie ich abermals schauderte. Doch was immer Ulfred auch angetan worden war, es hatte ihn nicht umgebracht. Walter, Ernest Amblin und der Vikar hatten ihn in die Klinik einweisen lassen, zu der ich unterwegs war. Walter hatte ihn besucht. War nie von seinem Tod benachrichtigt worden. Vielleicht war er noch dort. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht war er wieder in seinem alten Dorf und trieb sich in dem alten Haus der Familie herum.
    Als ich parkte, verspürte ich ein wachsendes Gefühl der Erregung. Das hier war die Antwort, es musste einfach so sein. Ulfred, geistesgestört und gefährlich, einer von Walters Brüdern, dem vor langer Zeit etwas Schreckliches zugestoßen war. Ich ging zum Haupteingang – eine Doppeltür aus schwerem altem Holz, mit Eisen beschlagen. Sie stand weit offen. Ein Schild des staatlichen Gesundheitsdienstes verkündete, dass ich vor dem Two Counties Psychiatric Hospital stand, gegründet 1857. Ich trat über die Schwelle, schob die gläserne Innentür auf und ging hinein.
    Ein Mann in Latzhose wischte mit einem langstieligen Mopp den Fußboden und sang dabei vor sich hin. Als ich an ihm vorbeiging und auf den Empfang zusteuerte, bemerkte ich, dass er Pantoffeln trug. Und dass kein Wasser in seinem Eimer war.

    Der Empfangstresen war unbesetzt. Ich schaute mich um, sah eine Klingel und drückte darauf. Nichts geschah. Ich sah drei, vielleicht vier Minuten lang zu, wie der Mann in den Pantoffeln den Boden putzte, dann drückte ich von Neuem auf die Klingel. Eine Tür zu dem Büro hinter dem Empfang öffnete sich, und eine Frau Mitte vierzig mit auffallend schwarzem Haar kam mit einem Becher in der Hand heraus.
    »Entschuldigen Sie«, sagte sie. »Ich hatte gerade Tee aufgegossen. Kann’s nicht ausstehen, wenn er zu lange gezogen hat. Was können wir für Sie tun?«
    »Ich möchte mich nach einem Patienten erkundigen«, sagte ich.
    »Sind Sie eine Verwandte?«, wollte sie wissen und stellte ihren Becher auf den Schreibtisch.
    Ich hatte das alles nicht bis zu Ende durchdacht. »Nein, ich bin nicht mit ihm verwandt«, improvisierte ich. »Aber ich habe gerade den älteren Bruder des Patienten besucht. Er ist wirklich ziemlich krank. Es wäre toll, wenn ich mich kurz mit dem Klinikleiter unterhalten könnte. Oder mit jemandem, der sich mit den Krankheitsgeschichten auskennt.«
    Der Dampf aus dem Becher ließ die Brille der Frau beschlagen. »Nun ja, normalerweise –«, setzte sie an.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, ließ sich eine Stimme hinter mir vernehmen. Ich drehte mich um und erblickte eine Frau auf der anderen Seite des Flurs, dünn und ungewöhnlich groß. Ungeachtet ihres Angebots sah sie nicht im Entferntesten hilfsbereit aus. Sie trat vor, bis sie über mir aufragte und ich mir wieder wie ein Kind vorkam, das zu einem zornigen Erwachsenen aufblickt. Ich widerstand der Versuchung, einen Schritt rückwärts zu machen.
    »Ich bin auf der Suche nach einem Patienten«, erklärte ich. »Nach jemandem, der schon seit Jahren bei Ihnen ist. Ich war gerade bei seinem Bruder. Den Patienten brauche ich gar nicht zu sehen.« Weiß der Himmel, ich wollte Ulfred nicht sehen. »Ich muss nur wissen, ob er noch am Leben ist.«

    Die Frau runzelte die Stirn. »Wenn Patienten sterben, benachrichtigen wir immer die Angehörigen.«
    »Das habe ich auch erwartet. Aber von diesem Patienten hat sehr lange niemand mehr etwas gehört. Er müsste jetzt in den Siebzigern sein. Ich brauche von Ihnen nur eine Bestätigung, dass er noch hier ist.«
    »Der Name?«
    »Ulfred Witcher.«
    Die Augenbrauen der Frau gingen nach oben, dann schüttelte sie den Kopf. »Kommt mir nicht bekannt vor«, meinte sie.
    Ich machte schon den Mund auf, um etwas zu erwidern, doch sie trat zurück und winkte mir, ihr zu folgen. Sie öffnete eine Tür auf der rechten Seite des Flurs, und wir gingen hindurch. Der Empfangsbereich, den wir gerade verlassen hatten, war verputzt und in sanftem Gelb gestrichen gewesen; der Korridor jedoch, den wir jetzt hinuntergingen, war aus demselben dunkelroten Backstein wie die Außenmauern. Rechts und links befanden sich in regelmäßigen Abständen Türen in den Wänden, doch keine davon stand offen. Leuchtröhren zogen sich an der Decke entlang; einige flackerten, als wir darunter hindurchgingen. In der Ferne konnte ich hin und wieder

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