Schlangenhaus - Thriller
von ihm gehört.
Ich hob den Kopf. Ulfred wird aufpassen. Er wird mich kommen sehen.
Aber es gibt noch eine Möglichkeit, da hineinzukommen. Das weißt du doch schon seit einer ganzen Weile.
Ich kann nicht.
Stille. Aber ich hatte diese Stimme erkannt; ich wusste genau, wem sie gehörte, und ich wusste aus langer Erfahrung,
dass ich niemals gewinnen würde, wenn ich mich auf einen Streit mit ihr einließ.
Warum verschwendete ich also Zeit?
Ich brauchte eine weitere Viertelstunde, um den Fluss zu erreichen. Rutschend setzte ich im Schlamm zurück, bis die Hinterreifen des Wagens fast das Ufer berührten, dann schaltete ich den Motor aus. Ich suchte eine Wathose hervor und zog sie an, außerdem eine Schwimmweste. Auch ohne das Gewitter, das immer noch tobte, strömte der Fluss rasch dahin, so wie schon seit Monaten. Außerdem war uns das von den Leuten vom Arbeitsschutz so lange eingehämmert worden, dass ich es wohl ganz automatisch tat. Wenn man am Wasser arbeitet, ist man entsprechend ausgerüstet.
Ich zog eine leichte, wasserdichte Jacke um die Schultern und stieg aus dem Wagen. Das Boot ganz allein herauszuzerren und zu Wasser zu lassen, war nicht einfach, doch ich schaffte es. Ich legte die Tasche mit der Ausrüstung hinein, stieg ein und stieß mich mit aller Kraft ab.
Irgendwann im Lauf der letzten vierundzwanzig Stunden hatte mein Unterbewusstsein das Rätsel gelöst, das mir seit Tagen zugesetzt hatte. Wenn irgendjemand in dem alten Haus der Witchers wohnte, wie kam er dann hinein und wieder heraus, wie bewegte er sich ihm Dorf, ohne gesehen zu werden? Jetzt wusste ich es. Er bediente sich der Wasserwege und der alten Kalkminen. Heute Nacht würde ich es ihm gleichtun.
In unserem Dorf gibt es wahrscheinlich mehr Wasserläufe als Straßen. Ich habe keine Ahnung, wie viele Seitenarme der Liffin hat, aber neben so ziemlich jeder Straße fließt ein kleiner, von Ziegeln gesäumter Bach. Sie alle werden von zahlreichen winzigen Brücken überspannt, oft führen sie unter Straßen hindurch. Jemand könnte durch diese Gräben kriechen und dabei so gut wie kein Risiko eingehen, gesehen zu werden, besonders nachts. Und wo die Wasserläufe nicht hinführten,
dorthin gelangte man wahrscheinlich durch die Kalkminen.
Zuerst fuhr ich in dieselbe Richtung wie der Fluss; seine Strömung trug mich dahin, und ich brauchte das Paddel nur zum Steuern. Bald jedoch würde ich mich stromaufwärts wenden und einen überwucherten, schnell fließenden Nebenarm hinaufpaddeln müssen.
An jenem Abend, als Matt und ich das Haus der Witchers durchsucht hatten, war ich mir sicher gewesen, dass jemand dort wohnte. Matt hatte meine Instinkte als mädchenhafte Nervosität abgetan, doch der Gestank der Toilette, die warme Wand im Erdgeschoss, die Bewegung, die ich gehört hatte: All das hatte mich davon überzeugt, dass das Anwesen nicht verlassen war, wie wir dachten.
Wir hatten das Haus gründlich durchsucht, hatte Matt mich ermahnt; es gab kein Anzeichen dafür, dass irgendjemand hier lebte.
Nur hatten wir es eben nicht gründlich durchsucht. In dem dritten Cottage gab es einen Raum im Erdgeschoss, zu dem wir keinen Zugang gefunden hatten. Die einzige Tür war zugemauert, doch ich hatte die Wärme hinter den Mauersteinen gefühlt. Es musste einen Weg geben, der dort hineinführte.
Ich hatte die flussabwärts gelegene Spitze der Insel erreicht, wo wir den Schwan gerettet hatten. Es war an der Zeit, herauszufinden, wie kräftig meine Armmuskeln waren. Ich wendete das Boot scharf und fing an, wieder stromaufwärts zu paddeln, diesmal auf der anderen Seite der Insel.
Die Strömung war stark, doch der Nebenarm war geschützt, und das Laubdach der Bäume hielt den Regen ein wenig ab. Ich beugte den Kopf und konzentrierte mich auf den Rhythmus des Doppelpaddels.
Der schmale Strom war voller Treibgut. Äste, Müll, sogar ein paar ertrunkene Tiere schossen vorüber. Etliche Stücke rammten mich, und ich hatte Mühe, das Boot unter Kontrolle zu halten. Meine Arme wurden müde, doch ich durfte nicht
schlappmachen. Ich musste die Stelle erreichen, auf die ich zuhielt.
Nachts war es schwerer, die Veränderung in der Strömung auszumachen, ich erinnerte mich aber an einen Baumstumpf, der genau dort ins Wasser gerutscht war. Ich wartete ab, bis ich daran vorbei war, dann zog ich das Paddel ein und packte die Weidenäste vor mir.
Der Fluss begann, mich zurückzuzerren, als gefiele ihm die neue Richtung nicht, die ich einschlug. Ich
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