Schlangenhaus - Thriller
tiefer, in Gefilde, wo Sehen und Hören verbannt worden waren. Noch tiefer; der Druck in meinen Ohren nahm zu und ich spürte, wie die Welt von mir fortwirbelte, sah, wie alles, was ich liebte, aufwärts trieb, als ströme das Leben selbst davon. Und ich wollte die Arme nach oben strecken, danach greifen, es mit mir hinunterziehen, denn die Einsamkeit, die ich in diesem Moment empfand, war stärker als alles, was ich jemals gekannt hatte.
Und als ich dort lag, in einer Hölle, die kalt war und mich ganz und gar verzehrte, begriff ich, dass ich aufgehört hatte, tiefer zu sinken. Unter mir war nackter Stein. Und meine Hölle stank nach Plastik.
Ich atmete noch.
Der dicke Polyurethansack, in den Fain mich gesperrt hatte, war nicht wasserdicht – kaltes Rieseln überall verriet mir das –, doch er hielt fürs Erste den größten Teil des Wassers ab und bildete eine kleine Luftblase, die mich und meinen Schlangenfreund am Leben erhielt.
Trotzdem wagte ich es nicht, mich zu rühren. Wenn die Schlange mich biss, war alles zu Ende. Das Antiserum war mit Matt davongetrieben, und es war auch nur genug gewesen, um einen einzigen Biss zu behandeln. Erstaunlicherweise verhielt sich die Schlange still. Doch wenn ich anfing, mich zu bewegen, würde sie in Panik geraten und sich zur Wehr setzen.
Das Gewicht des Wassers lastete schwer auf dem Sack, und mir blieb nichts anderes übrig, als den Kopf langsam zur Seite zu drehen, um weiterzuatmen. Noch immer regte sich
die Schlange nicht. Ich machte mich daran, meinen rechten Arm unter mir hervorzuziehen, wobei ich auf die Hosentasche zielte, in der ich das Messer stecken hatte.
Mein Arm war neben mir. Die Hand direkt über der Tasche. Doch das Seil schnürte mich fest ein, und jede Bewegung schien mich unendlich viel Kraft zu kosten.
Dann setzte sich die Schlange in Bewegung.
Ich fühlte, wie sie aufwärts glitt. Die Nässe behagte ihr bestimmt nicht, oder die Kälte meiner Kunststoffjacke. Sie suchte nach Wärme. Ich fühlte, wie sie über meine Brust kroch, so leicht, so ungemein tödlich, über meine Schulter.
Seht, ich habe euch die Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden.
War das meine Stimme? Oder die meiner Mutter? Ich wusste es nicht. Doch sie hallte laut in meinen Ohren, als meine Finger in die Enge meiner Hosentasche schlüpften.
Die seidige Haut des Taipans streifte meine Wange, und ich fühlte, wie er innehielt. Innerlich wappnete ich mich gegen den jähen Schock des Schmerzes, die Fangzähne, die tief in meine Haut sanken, die Erkenntnis, dass ich verloren hatte. Fast konnte ich die Schlange atmen hören. Dann strich etwas leicht über mein Gesicht, und das Tier nahm seine Wanderung wieder auf.
Meine Finger berührten das kalte Metall des Messergriffs. Noch ein paar Sekunden, und ich würde es fassen können. Doch der Sack lief schnell voll. Und die gefährlichste Landschlange der Welt hatte den Schwanz um meinen Hals geschlungen, während ihr Kopf sich an den meinen lehnte.
Und nichts wird euch schaden.
Ich packte das Messer, zog die Hand behutsam heraus und durchtrennte die erste erreichbare Seilwindung. Es dauert nicht lange, eine Wäscheleine durchzuschneiden. Ich zerschnitt die nächste Windung, und dann die Nächste, bis ich den Ellenbogen beugen und das Messer auf die Plastikfolie direkt über
meinem Gesicht richten konnte. Ich holte so tief Luft, wie ich nur konnte – wohl wissend, dass dies mein letzter Atemzug sein könnte – und zog das Messer so weit wie möglich nach unten. Wasser überflutete mich. Ich war noch immer gefesselt; ich konnte nicht schwimmen, doch ich fand den Reißgriff der Schwimmweste, von der Fain nicht gewusst hatte, dass ich sie trug, und zog kräftig daran.
Als sich die Weste mit Luft füllte, schoss ich wie ein Korken aus einer Flasche an die Oberfläche und glaubte, mir würde der Kopf bei dem Getöse zerspringen, das in der Kirche herrschte. Was zum Teufel machte diesen fürchterlichen Krach? Stürzte das ganze Gebäude ein? Ich griff nach den Steinfliesen, die das Becken säumten, trat mit den Beinen heftig im Wasser und hievte mich auf den kalten Kirchenboden. Ohne auf die Schmerzen in meinem Kopf und den misstönenden Lärm zu achten, der in der Ruine widerhallte, stemmte ich mich hoch und wollte nichts wie zur Tür. In dem Moment kam die tödlichste Schlange der Welt, die ein paar Minuten lang mein Grab mit mir geteilt hatte, an
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