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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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gehört, Clara«, säuselte Fain mir zu. »Sogar als ich mich diese letzten Monate in Ventrys Haus versteckt hatte. Die Dienstboten und die Leute aus dem Dorf reden über die schöne Frau mit den Narben, die sich vor der Welt versteckt. Sie reden über deine Mutter und über das, was du ihr angetan hast, Clara. Sie hat sich deinetwegen zu Tode getrunken, weil sie deinen Anblick nicht ertragen konnte. Stimmt das etwa nicht?«
    Mums Stimme in meinem Kopf war verstummt. Die ruhigen, weisen Worte, die mich geleitet hatten, waren verzerrt worden, kamen stattdessen aus Joel Fains Mund. Und doch sprachen sie die Wahrheit. Mums Tod war meine Schuld gewesen. Sie hatte jedes Mal trinken müssen, wenn sie mich ansah. Fain streckte die Hand aus und streichelte die vernarbte Seite meines Gesichts.
    »Als Sünderin gebrandmarkt«, flüsterte er. »Trägerin des Kainsmals.«
    Ganz hinten in meinem Verstand versuchte irgendetwas, auszubrechen.
    »Weißt du, was mit denen passiert, die ihre Eltern töten, Clara?« Er berührte mich immer noch.
    »Sie werden bestraft«, wimmerte ich und fühlte, wie mein Gesicht feucht wurde. Fain hob die Hand, und wir schauten beide auf das Schimmern der Tränen auf seinen blutigen Fingern. Dann beugte er sich vor, und seine Zungenspitze fuhr über meine Wange, in meine Augenwinkel, meinen Haaransatz entlang. Er leckte mir die Tränen ab, als genieße er den Geschmack der Furcht. Ich konnte mich gerade noch beherrschen, nicht den Kopf in den Nacken zu werfen und loszuheulen. Dann wich er zurück. Seine Augen starrten noch immer in die meinen, doch ich glaube nicht, dass er mich sehen konnte.
    »Bestraft, bestraft«, wiederholte er, »so wie ich bestraft worden
bin.« Und dann riss er blitzschnell sein Hemd auf und zerrte es sich vom Leib. Hier und da hing seine Haut ein wenig schlaff an einem Brustkorb, der früher einmal muskulös gewesen sein musste; an anderen Stellen trug sie die dunkelroten Narben schwerer Verbrennungen. Er hielt mir die Arme hin. Noch mehr Narben, aber nicht von Verbrennungen.
    »Mein Vater hat meinen Kopf im Fluss unter Wasser gehalten, wusstest du das, Clara? Er hat mich untergetaucht, bis ich dachte, mein Körper würde vor Schmerz bersten, aber ich bin nicht gestorben. Mein Körper hat in dieser Kirche gebrannt, aber ich bin nicht gestorben.« Mit einem Ruck stieß er beide Arme in meine Richtung. »Die Schlangen haben mein Fleisch viele Male gepackt und es vergiftet, aber ich bin nicht gestorben. Die Todesbringer können mir nichts anhaben, Clara. Der Herr hat mir Macht über den Tod verliehen. Ich bin ein wahrer Getreuer der Schar des Elija, und ich verkünde die letzten Tage von Gottes Erde.«
    Ein plötzliches Geräusch schreckte uns beide auf. Eine von den Fledermäusen hatte sich zwischen die Orgelpfeifen verirrt; sie flatterte herum und machte ein Geräusch wie Wind, der über alte Glocken fährt. War es laut genug, dass die Leute im Dorf es hören konnten? Wahrscheinlich nicht, aber –
    Ich wirbelte herum und rannte durch den Altarraum. Dabei fiel ich gegen die Kanzel, schaffte es irgendwie, auf den Beinen zu bleiben, und schoss um das Chorgestühl herum. Dann machte ich einen Satz und landete mit dem Gesicht voran auf den Orgeltasten. Die lange vernachlässigten Pfeifen erwachten dröhnend zum Leben, und der Klang hallte in der Kirche wider. Fledermäuse begannen zu kreischen, und ein flatternder Rabenschwarm rauschte im Sturzflug durch das Kirchenschiff. Dann wurde mein Haar von hinten gepackt, und Fains freie Hand legte sich um meinen Hals. Ich wurde wieder zurückgezerrt, über den Boden, die Altarstufen hinunter, näher an das Taufbecken heran. Schließlich machten wir Halt, und ich wurde von Neuem auf die Beine gestellt.

    »Ich habe die Toten wandeln sehen, Clara«, sagte Fain, doch sein Blick konnte dem meinem nicht mehr standhalten. »Ich kann dich zurückholen, wenn dein Glaube stark genug ist. Soll ich das tun? Sollen wir beide deine Mutter wiederauferstehen lassen?«
    »Hören Sie auf!«
    Speichelblasen bildeten sich in seinen Mundwinkeln. »Sollen wir deinen hübschen Polizisten zurückholen?«
    »Er ist nicht tot.« Noch während die Worte aus meinem Mund kamen, wurde mir klar, wie dumm sie waren. Fain und Ulfred würden Matt suchen, sobald sie mit mir fertig waren; sie würden ihn finden und sie würden Nägel mit Köpfen machen.
    »Aber bald. Der Taipan ist das tödlichste Geschöpf, das auf Gottes Erde herumkriecht. Ventry, dieser Trottel, hatte

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