Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
Vom Netzwerk:
sofort zugestimmt.
    »Sie sehen selber ein bisschen grün aus, Mr. North«, entgegnete ich. »Vielleicht sollten Sie sich das hier lieber schenken.« North zuckte die Achseln und wandte sich wieder dem Fenster zu, gerade als zwei Mitarbeiter eine Bahre durch die große Doppeltür schoben. Keinen halben Meter von unserem Fenster entfernt hielten sie an, zogen den Reißverschluss des schwarzen Plastiksacks auf und hoben den Leichnam heraus, der darin lag. Und obwohl ich auf das Schlimmste gefasst war, konnte ich den kleinen Aufschrei nicht unterdrücken, der meinen Lippen entschlüpfte.
    Die letzten fünf Tage von John Allingtons Leben waren nicht leicht gewesen, und ich hoffte inständig, dass die Schmerzmittel, die er bekommen hatte, stark gewesen waren. Und dass er nur sehr wenig von dem mitbekommen hatte, was mit seinem Körper geschehen war.
    Denn sein Körper hatte schon einige Zeit, bevor sein Herz zu schlagen aufhörte, angefangen zu sterben.
    Als ich das letzte Mal etwas über dieses Thema gelesen hatte, waren in Schlangengift zwanzig bekannte Arten von toxischen Enzymen festgestellt worden, von denen jedes eine ganz bestimmte Funktion hat. Manche dienen dazu, zu lähmen, andere sind dazu da, Gewebe aufzulösen und den Verdauungsprozess der Schlange zu unterstützen. All diese Stoffe
hatten bei John Allington offensichtlich reichlich Zeit gehabt, zu wirken.
    Der Bereich um die Bissstelle dicht oberhalb des Schlüsselbeins herum wies zwar nur eine minimale Schwellung auf, beide Arme und das linke Bein jedoch waren grauenvoll angeschwollen. Das war bei Schlangenbissen nicht ungewöhnlich. Um den Druck zu lindern, hatte man zwei tiefe Schnitte angebracht, einer auf jeder Seite des Arms. Allington war gestorben, bevor die Schwellung abgeklungen war, und die Wunde klaffte noch immer; der Muskel wölbte sich durch fleckig marmorierte, violett verfärbte Haut.
    Ich trat einen Schritt näher an das Fenster heran, neugierig auf den Mann, der mehrere Jahre mein Nachbar gewesen war. John Allington hatte graues Haar, das an den Schläfen zurückwich und sich oben auf dem Kopf lichtete. Er war um die siebzig und etwa eins achtzig, vielleicht eins zweiundachtzig groß. Als junger Mann musste er ziemlich muskulös gewesen sein.
    Der Tote hätte auch ein vollkommen Fremder sein können; nichts an ihm kam mir auch nur vage vertraut vor. Vierundzwanzig Stunden nach dem Tod war seine Gesichtshaut von zitronengelber Farbe, was ihn wie eine Wachsfigur aussehen ließ. Sein Mund stand weit offen, als bemühe er sich sogar jetzt noch, einen letzten Atemzug zu tun, und die Hornhäute seiner noch immer offenen Augen waren trübe und stumpf.
    Sean Norths Hand senkte sich auf meine Schulter. Ich drehte mich um und sah, dass er auf einen großen Bildschirm in der Ecke des Zimmers schaute. Harry Richards ging mit einer kleinen Kamera in der Hand um den Tisch herum, und das, was er filmte, wurde auf den Schirm übertragen. Diese Technologie erlaubte es North und mir sowie Dr. Richards, Allingtons unbeschädigte Körperteile nach weiteren Bissstellen abzusuchen.
    Zum Glück war das abgestorbene Gewebe auf den rechten Arm beschränkt. Ansonsten waren Haut und Gewebe unversehrt,
wenngleich erheblich geschwollen. Etliche Blutergüsse waren zu sehen, doch wir konnten keinerlei Hautverletzungen entdecken. Natürlich hätten kleine Bisse in den paar Tagen, die er im Krankenhaus verbracht hatte, verheilen können. Andererseits wäre durch kleine Wunden kein Gift eingetreten. Damit das geschieht, muss ein Fangzahn tief ins Gewebe eindringen. Hätte John Allington noch andere ernsthafte Bisswunden gehabt, so hätten wir sie immer noch sehen können.
    Doch es waren keine vorhanden. Nach ein paar Minuten wurde der Leichnam umgedreht, und Dr. Richards begann abermals mit seinem langsamen Rundgang um den Rolltisch. Nach zwanzig Minuten waren wir fast hundertprozentig sicher, dass John Allington keine weiteren Bisse abbekommen hatte.
    »Anscheinend kommen wir nicht weiter«, bemerkte Harry Richards und gab sich keine Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen.
    »Ach, ich weiß nicht«, erwiderte North. »Können Sie noch mal die Wunde an seinem Hals zeigen, bitte? Clara, kommen Sie doch mal kurz her.« Während ich mich insgeheim fragte, wann genau ich North erlaubt hatte, mich wie seine Assistentin zu behandeln, ließ ich mich von ihm dichter an den Bildschirm heranschieben. Die Kamera in Harry Richards’ Hand war auf die Bissstelle an John Allingtons

Weitere Kostenlose Bücher