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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Pathologen, die Wunde sorgfältig zu untersuchen und sie mit dem zu vergleichen, was über Kreuzotterbisse bekannt ist«, fuhr North fort. »Er sollte den Leichnam auch auf weitere Bissstellen untersuchen. Das Blut kann …«
    »Können Sie ihn sich mal ansehen?«, fragte Richards.

    »Ich?« North schüttelte den Kopf. »Dafür bin ich überhaupt nicht qualifiziert, Kumpel.« Ich gönnte mir einen Augenblick der Befriedigung, als mir klar wurde, dass der große Macho nicht eben scharf darauf war, eine Leiche anzuschauen. Dann begriff ich, dass ich vielleicht als Nächste auf der Liste stehen könnte, wenn North sich weigerte.
    »Mir gefällt das alles überhaupt nicht«, sagte Richards. »Um ehrlich zu sein, meine Kollegen sind nicht unbedingt meiner Meinung. Dass sich die Schlange als Kreuzotter erwiesen hat und das Gift als Kreuzottergift identifiziert worden ist, reicht ihnen. Aber John Allington war mein Patient, und ich muss dem Coroner so viele Informationen zukommen lassen wie möglich. Im Moment bin ich einfach nicht zufrieden.« Eine Weile wartete er darauf, dass einer von uns ihm antwortete. »Und Sie beide sehen auch nicht gerade zufrieden aus«, setzte er hinzu, als keiner von uns etwas sagte.
    »Mir gefällt das mit der Kopfwunde nicht, die sich der Patient zugezogen hat«, fuhr er fort, »oder die Tatsache, dass Mr. Allington es geschafft hat, die Schlange zu töten, aber trotzdem nicht in der Lage war, zu telefonieren und Hilfe herbeizurufen. Außerdem behagt mir das mit der Familie nicht so recht, die gestern Nacht hier aufgenommen worden ist, oder das mit dem Baby, das gestern hier war. So, wie ich es verstanden habe, wäre die Kleine auch gebissen worden, wenn Sie nicht dort gewesen wären, Miss Benning.«
    »Ich schaue ihn mir an«, sagte ich. Dann wandte ich mich an North. »Obwohl ich ganz ehrlich sehr wenig Erfahrung mit Schlangenbissen habe.« Einen Moment lang funkelte North wütend zurück, dann konnte ich sehen, wie ein winziges Lächeln sich in den Furchen entlang seiner Wangen bemerkbar machte. »Okay, okay«, knurrte er und schüttelte den Kopf. »Großer Gott, so langsam wünsche ich mir, ich wäre im Dschungel geblieben.«

11
    Ich hatte noch nie einen toten Menschen gesehen, und das Einzige, woran ich im Fahrstuhl auf dem Weg hinunter in die Pathologie denken konnte, war, dass Mum am selben Vormittag gestorben war wie John Allington. Mum wurde irgendwo in einem Kühlfach aufbewahrt. Wahrscheinlich war Mums Leichnam in exakt demselben Zustand wie der, den ich gleich zu Gesicht bekommen würde. Und ich bekam einfach den bizarren Gedanken nicht aus dem Kopf, dass der Leichensack geöffnet und es Mums Gesicht sein würde, das mir entgegenstarrte.
    Während der ganzen Fahrt ins Untergeschoss probte ich den Satz, der mir das Ganze schließlich doch ersparen würde: »Es tut mir leid, aber meine Mutter ist diese Woche gestorben«, würde ich sagen. »Ich fühle mich all dem im Augenblick nicht recht gewachsen.« Natürlich würden sie es verstehen, doch ich würde mich einem Schwall von Fragen gegenübersehen. Wann? Wie? Warum? Sie hätten noch einen Grund mehr, mich zu bemitleiden.
    Die Worte kamen nicht heraus, und schneller, als ich damit gerechnet hatte, standen wir vor der Tür der Pathologie. Wir gingen hinein, und Richard führte uns an dem kleinen Wartebereich für die Angehörigen der Verstorbenen vorbei und in einen anderen Raum. Durch ein großes Fenster konnten wir den hell erleuchteten Untersuchungsraum sehen. Ich stand da und dachte: Was ist, wenn ich in Ohnmacht falle oder mich übergeben muss? Er wird mich für eine Vollidiotin halten.
    »Brauchen Sie eine Jacke?«, fragte North leise dicht an meinem Ohr. Ich schüttelte den Kopf und trat einen Schritt von ihm weg, ehe er abermals sah, wie ich schauderte. So kalt war es gar nicht.

    Harry Richards entschuldigte sich und ging hinaus. Gleich darauf sahen wir ihn den Untersuchungsraum betreten und mit einem der Angestellten sprechen. Der Assistent schaute rasch zu North und mir am Fenster herüber. Dann ging er zu einem Telefon, sprach kurz hinein und nickte Dr. Richards zu. Er verschwand, gerade als North sich zu mir umdrehte.
    »Clara, das hier sieht vielleicht nicht sehr hübsch aus«, sagte er. »Es ist nicht nötig, dass Sie dabei sind. Warum warten Sie nicht draußen?«
    Es war ein absolut einleuchtender Vorschlag. Ich war weder Ärztin noch Herpetologin, und wäre ich eine vernünftige Frau, so hätte ich wahrscheinlich

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