Schlangenhaus - Thriller
stand da, »17. April 1919–15. Juni 1958. ›Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese.‹« War auch Larry in dem Feuer umgekommen? Der dritte Stein kennzeichnete die Ruhestätte von Peter Morfet, der am 17. Juni im Alter von zweiunddreißig Jahren verschieden war, und der Vierte stand auf dem Grab von Raymond Gillard, der am folgenden Tag gestorben war.
Die Raben begannen von Neuem zu krächzen, und ich fuhr zusammen. Mir wurde klar, wie ungeheuer nervös ich die ganze Zeit gewesen war, seit ich den Friedhof betreten hatte. Wenn man von meinem Abenteuer von gestern Nacht einmal absah, hatte ich nie an Gespenster oder irgendwelche böswilligen übernatürlichen Wesen geglaubt, doch ich behaupte, dass sich niemand bei Einbruch der Nacht auf einem Friedhof wirklich wohlfühlt. Außerdem beschlich mich dieses Gefühl – Sie wissen schon, welches ich meine, dieses Gefühl, dass man am liebsten über die Schulter schauen würde. Man weiß, dass dort nichts ist, natürlich ist dort nichts, aber trotzdem, nur mal schnell gucken.
Ich drehte mich um. Eine schwarz gekleidete Gestalt stand keine zehn Meter entfernt und beobachtete mich.
»Guten Abend, Clara«, sagte sie und kam auf mich zu.
19
»Hallo, Reverend Percy«, antwortete ich. »Sie sind aber noch spät unterwegs.«
»Gleichfalls«, sagte er mit einer Stimme, die ebenso alt und klein war wie der Rest von ihm, während er leichtfüßig um die Holunderbüsche herumkam und zu mir trat.
Reverend Percy ist unser Pfarrer, und in Anbetracht meines familiären Hintergrundes ist er einer der Wenigen hier in der Gegend, bei denen sich ein Gespräch nicht vermeiden lässt. Es gibt wirklich kein Entkommen von der Kirche, wenn man einen Erzdiakon als Vater hat.
Selbstverständlich rebellieren die Kinder von Geistlichen im Zuge ihres Heranwachsens irgendwann. Wie nicht anders zu erwarten, war Vanessa mit fünfzehn aus den Schienen gesprungen und hatte sich geweigert, auch nur in die Nähe einer Kirche zu gehen, mit Ausnahme der weihnachtlichen Mitternachtsmesse, wenn die meisten ihrer Freunde nach späten Weihnachtsfeiern eintrudelten. Auf der Universität allerdings hatte sie sich mit einer Gruppe eingelassen, die »Das Aufgebot Gottes« genannt wurde. Heute, zehn Jahre später, ist sie Vorsitzende des Kirchengemeinderats, leitet die allwöchentliche Sonntagsschule und gibt die Kirchenzeitschrift heraus. Ich glaube, sogar Dad ist ihr unverbrämter Enthusiasmus manchmal ein bisschen peinlich.
Mein eigener Abfall war sehr viel weniger dramatisch vonstattengegangen. Ich hatte mich niemals geweigert, in die Kirche zu gehen und tat es immer noch alle paar Wochen. Doch letzten Endes musste ich mir eingestehen, dass ich niemals den unerschütterlichen Glauben meines Vaters teilen würde. Es war nicht eigentlich so, dass ich nicht glaubte; noch immer
empfand ich bei den Ritualen eines Gottesdienstes ein tiefes Gefühl des Friedens; ich trug nur nicht diesen Glauben in meinem Herzen, der nicht nachdenkt und keine Fragen stellt.
Aber alte Gewohnheiten abzulegen, ist schwer. Also hatte ich mich, kurz nachdem ich hierher gezogen war, mit Reverend Percival Stancey bekannt gemacht. Einmal im Monat empfing ich das Abendmahl von ihm und wehrte so höflich wie möglich seine Bemühungen ab, mich für den Kirchenchor zu rekrutieren.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen, meine Liebe?«, erkundigte er sich, als er in den kleinen Kreis trat, den die vier Grabsteine zusammen mit der Kirchhofmauer bildeten.
»Waren Sie 1958 auch schon hier, Reverend?«
»Gütiger Himmel, meine Teure, für wie alt halten Sie mich?«, gluckste Reverend Stancey. Gut und gern Mitte siebzig, war die ehrliche Antwort, doch das würde ich nicht laut sagen. Auf jeden Fall war mir klar, wie gering die Chance war, dass er über fünfzig Jahre lang in ein und derselben Gemeinde gewesen war.
Reverend Stancey las seinerseits die Inschrift auf den Grabsteinen, und das anscheinend mit großem Interesse.
»Ich bin 1970 hergekommen«, sagte er. »In dieser Kirche habe ich niemals gepredigt.«
»Wissen Sie, wann der Brand war?«
Er blickte über meine Schulter hinweg zu der Kirche hinüber, die jetzt vollkommen schwarz vor einem violetten Himmel stand.
»Einige Zeit, bevor ich hierhergekommen bin«, meinte er. »Es wurde darüber geredet, Geld für den Wiederaufbau zu sammeln, aber niemand im Dorf schien Interesse daran zu haben. Nach einer Weile hat das Wetter seinen Tribut gefordert.«
Er
Weitere Kostenlose Bücher