Schlangenhaus - Thriller
das man für Seidenpapier hätte halten können, wenn ich nicht genauer hingeschaut hätte. Es war trocken, spröde und weich, und auf seine ganze eigene Art schön und zart. Ich richtete mich auf und
hielt es vor mich hin, versuchte, seine Länge abzuschätzen. Über anderthalb Meter, vielleicht auch knapp zwei.
»O Scheiße«, entfuhr es Matt.
Ich hielt eine Schlangenhaut in den Händen. Die Haut einer Schlange wächst nicht mit, so wie unsere, daher wird sie alle paar Monate abgeworfen. Die Schlange frisst nicht mehr und wird ein wenig träge, um die Augen herum sieht sie nach und nach etwas milchig aus. Und dann windet sie sich aus ihrer Haut heraus und lässt sie zurück wie getragene Kleider auf einem Schlafzimmerboden.
»Werden Ringelnattern so groß?«, fragte Matt. Ich machte mir nicht die Mühe, zu antworten. Sein Ton machte deutlich, dass er die Antwort bereits kannte.
»Vorhin war das noch nicht hier«, sagte ich.
»Das Ding muss schon da gewesen sein, es ist uns nur nicht aufgefallen.«
»Das hier wäre mir aufgefallen.«
Er widersprach nicht mehr. »Stammt das von dem Taipan?«
»Das kann ich nicht sagen. Es ist möglich, aber ich kenne mich mit den Schuppenzeichnungen von Taipanen einfach nicht gut genug aus. Außerdem …«
Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Was?«
»Das hier sieht größer aus.«
Wir waren draußen. Oh, die Wohltat frischer, reiner Luft! Matt hatte die beiden Holzplatten wieder an den jeweiligen Fenstern angebracht, wobei er einen Stein als Hammer benutzte. Nachdem er das Vorhängeschloss am Tor hatte einschnappen lassen, war das Haus der Witchers wieder gesichert.
Als wir auf den Dorfanger zugingen, schaute ich auf die Uhr und war verblüfft, dass es fast Mitternacht war. Wir waren länger in dem Haus gewesen, als ich gedacht hatte. Ich hielt noch immer die Schlangenhaut in der Hand; ich hatte gefragt, ob ich sie ein paar Tage behalten könnte, um sie von
einem Experten begutachten zu lassen, und Matt hatte widerwillig zugestimmt, unter der Bedingung, dass ich sie unter keinen Umständen aus den Augen lassen dürfe.
Wir kamen an dem schmalen Zufahrtsweg vorbei, der zu Matts Haus führte und gingen weiter bis zur Bourne Lane. Der Duft alter Rosen traf mich, ließ mich an früher denken, an Mum in ihren besten Zeiten, an Tage, die niemals wiederkommen würden. Plötzlich verspürte ich das überwältigende Bedürfnis, allein zu sein, und ich blieb stehen und wandte mich an Matt.
»Jetzt komme ich schon zurecht, vielen Dank. Bitte machen Sie sich nicht …«
»Sie bluten.« Er streckte die Hand aus und berührte meine rechte Schläfe. Bestimmt war es der Schmerz – ein winziges Stechen –, der mich zusammenzucken ließ, als er das tat. Er zog die Hand zurück und betrachtete sie. Ich konnte eine schwache Schliere auf seinen Fingern erkennen, mein Blut, von der Stelle, wo der Kauz mich erwischt hatte. Noch eine Narbe. Und noch dazu auf der unversehrten Seite meines Gesichts. Wie gesagt, ich war müde. Normalerweise wäre sehr viel mehr nötig als ein Kratzer von einem Wildvogel, um Tränen über mein Gesicht rollen zu lassen. Bestimmt glänzten sie im Mondlicht, denn daran, wie Matts Augen schmal wurden, konnte ich erkennen, dass er sie bemerkt hatte.
»Das mit Ihrer Mutter tut mir leid«, sagte er leise. Ich hielt den Atem an und biss mir auf die Innenseite der Wange. Tränen waren eine Sache, vor jemandem, den ich kaum kannte, hemmungslos loszuschluchzen, war etwas ganz anderes. Ich musste hier weg, zurück in mein eigenes Reich. Stattdessen stand ich einfach nur da.
»Woher wissen Sie so viel über mich?«, fragte ich.
»Dies ist ein kleines Dorf, Clara. Hier lässt sich nichts geheim halten.«
Und ich dachte, ich wäre um der Abgeschiedenheit willen
hierhergezogen. »Ich will aber nichts davon wissen«, bemerkte ich. Es klang mürrisch.
»Nein, Sie nicht.« Er legte mir die Hand auf die Schulter und schob mich sanft die Straße hinunter.
Schweigend ging ich weiter. Ich widersetzte mich nicht mehr, überlegte jedoch, was wohl unsere Nachbarn denken würden, sollten sie hinausschauen und uns beide erblicken, um diese Zeit, Matt – beinahe – mit dem Arm um meine Schultern.
Wir erreichten das Ende meiner Auffahrt, und er ging weiter. Wir knirschten über Kies, ich suchte in meiner Tasche herum und fand den Hausschlüssel, und dabei dachte ich die ganze Zeit: Jetzt wird er doch bestimmt gehen. Ich schob den Schlüssel ins Schlüsselloch und drehte mich zu
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