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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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zu sagen. Den Bruchteil einer Sekunde lang begegneten sich unsere Blicke, und dann schoss Matt quer durchs Zimmer. An der Tür drehte er sich um, ohne innezuhalten.
    »Warten Sie hier«, befahl er und war weg. Ich konnte seine Schritte den Flur hinunterrennen hören, unregelmäßig und stolpernd.
    Warten? Allein, im Finstern? In diesem Haus? Ganz bestimmt nicht. Ich schritt durchs Zimmer und hinaus auf den Flur. Ohne Matts Taschenlampe war es stockfinster. Mit ausgestreckten Armen tappte ich den Weg zurück, den ich gekommen war, und achtete nicht auf die schmierigen, feuchten Wände. Ich konnte Matt auf der Haupttreppe hören. Als er die letzten paar Stufen hinuntersprang, war ich ihm dicht auf den Fersen. Ich erreichte gerade noch rechtzeitig das Erdgeschoss, um ihn in dem zweiten Cottage verschwinden zu sehen.
    Als ich dort ankam, stand Matt neben der Werkbank und schaute aus dem Fenster. Der Glaskäfig, den wir vorhin gesehen hatten, lag in mehreren Scherben auf dem Steinfußboden. Die Holzplatte, die das Fenster verrammelt hatte, pendelte lose herab, und im Rahmen war kein Glas mehr.
    »Ich muss draußen nachsehen«, sagte er über die Schulter hinweg. Dann streckte er die Hände nach der Arbeitsplatte aus, bereit, sich hochzustemmen, gerade als ich dicht hinter mir ein jähes Geräusch hörte, herumfuhr und eine riesige Gestalt auf mich zustürzen sah.

23
    Sie fuhr mit funkelnden schwarzen Augen geradewegs auf mein Gesicht zu. Ich taumelte zurück, fühlte, wie die Luft um mich herum sich bewegte, und verspürte einen kurzen, scharfen Schmerz. Dann war sie fort, und ich klammerte mich an Matt, das Gesicht gegen seine Jacke gepresst. Ich konnte Leder riechen, und den warmen Geruch seiner Haut – ein bisschen wie Kräuter –, und ich konnte die Wärme fühlen, die sein Körper ausstrahlte.
    »Grundgütiger«, stieß er hervor. »Was war das, verdammte Scheiße?«
    Am liebsten hätte ich gleichzeitig gelacht und geheult. Ich wusste genau, was das gewesen war, hatte es schon gewusst, als es auf mich zukam, doch mein Körper zitterte nichtsdestotrotz vor Schreck.
    »Das verdammte Ding muss einen ganzen Meter breit gewesen sein. Scheiße noch mal!«
    Nun, irgendjemand musste die Regie übernehmen. Ich trat einen kleinen Schritt zurück. Er begriff und ließ mich los.
    »So was sagt man aber nicht zu der Tochter eines Erzdiakons«, bemerkte ich. Er antwortete nicht. Ich war mir nicht sicher, ob er überhaupt in der Lage war, etwas anderes als Flüche hervorzubringen.
    »Das war ein Waldkauz«, fuhr ich fort. »Die häufigste Eulenart in ganz England. Normalerweise nisten sie auf Bäumen, aber …«
    Ich führte den Satz nicht zu Ende, dies war weder der rechte Zeitpunkt noch der richtige Ort für einen Vortrag über Ornithologie. Mittlerweile hatte ich mich wieder einigermaßen gefangen und genoss Matts betretenen Gesichtsausdruck
in vollen Zügen. Irgendwo ganz in der Nähe ließ der Höckerschwan abermals seinen Ruf ertönen.
    »Ich nehme an, es könnten zwei von den Biestern hier gewesen sein«, meinte er nach einem Moment des Schweigens. »Das, was wir gehört haben, könnte der erste Kauz gewesen sein. Er hat uns oben gehört, ist in Panik geraten und hat den Glaskasten runtergeschmissen.«
    Und hat die Nägel rausgezogen, die die Holzplatte vor dem Fenster gehalten haben, dachte ich im Stillen, sprach es jedoch nicht aus. Er konnte recht haben. Es war Nistzeit, und es wäre absolut denkbar, dass zwei Käuze sich in dem Haus aufhielten. Und die Holzplatte war vielleicht um die Nägel herum angefault gewesen. Es war nicht vollkommen ausgeschlossen, dass der erste Kauz dagegengekracht war und sie losgerissen hatte.
    Die Wahrheit war, ich hatte reichlich genug von diesem unheimlichen Kram und war daher durchaus bereit, mich mit der Zwei-Käuze-Theorie zufriedenzugeben. Außerdem war ich gerade gegen den Körper eines Mannes gepresst worden. Meine Gedankengänge waren nicht gerade kristallklar.
    »Verraten Sie mir eins«, sagte Matt und hörte sich ein bisschen mehr an wie er selbst. »Haben Sie sich mir in die Arme geworfen, oder war’s andersrum?«
    Zeit zum Heimgehen. Ich wollte die Werkstatt gerade verlassen, als ich im Kamin etwas bemerkte. Vorsichtig ging ich darauf zu.
    »Kommen Sie, Clara. Ich denke, wir haben genug getan. Nichts wie raus hier.«
    Ich bückte mich. Ohne auf Matts Anweisungen zu achten, nur ja nichts anzufassen, streckte ich die Hand aus und hob das zerknitterte, durchscheinende Ding auf,

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