Schlangenhaus - Thriller
ich mich endlich loseisen konnte, fuhr ich zu Violets Haus. Auf dem Weg zur Arbeit hatte ich kurz vorbeigeschaut, um nach ihr und Bennie zu sehen. Sie erinnerte sich nicht mehr daran, mir am Vorabend begegnet zu sein, doch sie freute sich durchaus, besonders als ich viel Aufhebens um Bennie machte. Ich hatte ihr frisches Brot mitgebracht und behauptet, ich hätte zu viel gekauft, um es selbst aufzubrauchen, hatte ihr Tee gemacht und das Feuer geschürt.
Dann hatte ich sie daran erinnert, nicht mit Bennie spazieren zu gehen, und hatte, ohne darauf zu vertrauen, dass sie sich daran erinnern würde, einen kurzen Merkzettel an ihre
Haustür geklebt. Mit dem Versprechen, abends mit Medikamenten wiederzukommen, hatte ich sie ihrem traurigen, kalten Tag überlassen.
Und jetzt war ich wieder da. Ich hatte ein Medikament dabei, um Bennies chronische Herzinsuffizienz zu behandeln. Außerdem hatte ich unmäßig teures Futter für ältere Hunde und ein paar Futterzusätze mitgebracht. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hatte ich mein Geld zum Fenster hinausgeworfen; ich hatte einfach das Bedürfnis, etwas für diesen armen kleinen Hund und seine Besitzerin zu tun.
Ich klopfte an die Tür und war überrascht, eigentlich aber sehr erfreut, als sie von Sally geöffnet wurde: Gemeindeschwester, Nachbarin und Lieferantin der besten Schinkensandwiches im Westen Englands.
»Hi, kommen Sie rein«, sagte sie und ging durch den schmalen Flur voraus. »Violet hat von Ihnen gesprochen. Sie stehen im Moment ganz schön hoch im Kurs. Sie sagt, sie muss Ihnen etwas erzählen.«
»Sie erinnert sich an mich?«
»Oh, ihr Gedächtnis ist mal so, mal so. Allerdings kann man nie genau vorhersagen, womit man’s zu tun haben wird.«
Als sie mich sah, versuchte Violet, aufzustehen, doch die Anstrengung erwies sich als zu groß. Ich bedeutete ihr mit einer Geste, sie möge sich keine Umstände machen und bückte mich, um mir Bennie genauer anzusehen, der hechelnd auf dem Teppich lag.
»Wie geht es ihm heute, Violet?«, erkundigte ich mich.
»Besser, glaube ich, ein bisschen besser.«
Als Diagnose war das mehr Optimismus als Wahrheit. Bennie war noch immer sehr krank. Es dauerte nicht lange, ihm seine Spritze zu geben. Dann hob ich seinen Futternapf auf; ich wollte ihn zum Spülstein tragen und ihn auswaschen, bevor ich das Futter hineingab.
»Sie haben sich geirrt, Liebes«, sagte Violet und streckte eine
Hand nach mir aus, als ich zurückkam. »Walter ist gar nicht tot. Heute Morgen ist es mir wieder eingefallen, als Sie weg waren. Er ist nur eine Weile im Krankenhaus wegen ein paar Untersuchungen. Bald kommt er wieder nach Hause. Das hat er mir selbst gesagt.«
Ich stellte Bennies Futter hin und erlaubte Violet, meine Hand zu fassen, ertappte mich sogar dabei, wie ich die ihre streichelte. Ihre Haut war weich wie die eines Babys, nur dass sie nicht fest, sondern welk war.
»Violet, es tut mir leid, aber …« Ich stockte und schaute Sally an. Gewiss war das hier doch eher ihr Fachgebiet als meins. Verängstigte Tiere, damit kannte ich mich aus.
Sally sah Violet rasch an, schien jedoch nicht zu wissen, was sie sagen sollte. »Also, eigentlich«, setzte sie an und hielt dann inne. Violet drehte sich zu ihr herum.
»Das müssen Sie doch wissen, meine Liebe. Bestimmt sehen Sie ihn doch im Krankenhaus.«
»Walter ist nicht mehr im Krankenhaus, Violet«, antwortete Sally. Sie sah mich an. »Leider wissen wir nicht genau, wo er ist.«
Mit hochgezogenen Brauen erwiderte ich ihren Blick, dann sah ich Violet an. Genau wie Sally war ich mir nicht sicher, wie viel wir ihr sagen sollten.
»Wisst ihr, Mädchen, ich war verheiratet«, herrschte Violet uns an. »Ihr werdet mich schon nicht schockieren.«
Sally lächelte halb und schien eine Entscheidung zu treffen. »Ich habe heute ein wenig rumgeschnüffelt«, meinte sie, und ihr Blick huschte von mir zu Violet. »Walter wurde definitiv am 28. August letzten Jahres stationär aufgenommen. Ich könnte Ihnen sogar sagen, auf welcher Station er gelegen hat und wie er behandelt wurde, obwohl ich das wahrscheinlich nicht tun sollte. Und bis zum 26. September ging es ihm auch nach und nach immer besser.«
»Was ist dann passiert?«, fragte ich. Violet, die zwischen uns saß, sah aus, als interessiere sie das alles ebenso brennend wie
mich. Ihre Augen schienen von einem leuchtenderen Blau zu sein, als ich es in Erinnerung hatte.
»Das kann mir niemand sagen«, antwortete Sally. »Im
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