Schlangenjagd
Mann hinter der Theke des Cafés, in dem sie immer ihren morgendlichen Kaffee holte – sie einschüchterten. »Ich wollte gerade ein eher unwissenschaftliches Experiment durchführen.«
»Gut, dann sehen wir es uns gemeinsam an. Machen Sie nur weiter.«
Susans Hände begannen zu zittern, daher setzte sie das Becherglas auf einen Ständer. Sie nahm den ersten Objektträger, der ihr verändertes Phytoplankton enthielt, und nahm die Probe mit einer frischen Pipette auf. Danach träufelte sie ihren Inhalt vorsichtig in das Becherglas.
»Ich habe die Einzelheiten Ihres Forschungsprojekts vergessen«, sagte Merrick und beugte sich über ihre Schulter. »Was sollten wir jetzt sehen?«
Susan veränderte ihre Haltung, um zu verbergen, dass ihr seine körperliche Nähe unangenehm war. »Wie Sie wissen, besitzen Kieselalgen wie dieses Phytoplankton eine Zellwand aus Silizium. Was ich getan habe, nein, was ich zu tun versuche, ist, eine Möglichkeit zu finden, diese Zellwand aufzulösen und die Dichte der Zellflüssigkeit innerhalb der Vakuole zu steigern. Meine genetisch veränderten Exemplare sollten die unveränderten Kieselalgen im Wasser angreifen und sich rasend schnell vermehren. Und wenn das alles wunschgemäß abläuft …« Ihre Stimme verstummte, während sie wieder nach dem Becherglas griff. Vorher schlüpfte sie in einen Schutzhandschuh, damit sie den Glasbehälter berühren konnte. Sie kippte ihn leicht auf die Seite, aber anstatt dieser Bewegung schnell zu folgen und hin und her zu schwappen, kroch das Wasser an der Glasinnenwand mit der Viskosität von Speiseöl entlang. Sie richtete das Becherglas jedoch wieder auf, ehe etwas von seinem Inhalt auf den Labortisch tropfte.
Merrick klatschte begeistert in die Hände – wie ein Kind, dem sie gerade einen Zaubertrick gezeigt hatte. »Sie haben das Wasser irgendwie schleimig gemacht.«
»So könnte man es beschreiben, denke ich. Die Kieselalgen haben sich derart miteinander verbunden, dass sie das Wasser in einer Art Matrix ihrer Zellflüssigkeit binden. Das Wasser ist noch da, aber es befindet sich in Suspension.«
»Das ist … erstaunlich. Gut gemacht, Susan, gut gemacht.«
»Es ist kein vollständiger Erfolg«, gab sie zu. »Die Reaktion ist exothermisch. Sie erzeugt Wärme. Etwa sechzig Grad unter den richtigen Bedingungen. Deshalb brauche ich diesen dicken Handschuh. Das Gel zerfällt bereits nach vierundzwanzig Stunden, während die veränderten Kieselalgen absterben. Ich habe keine Erklärung für den Prozess während der Reaktion. Ich weiß zwar, dass er chemisch ist, offensichtlich, aber ich weiß nicht, wie ich ihn aufhalten kann.«
»Ich finde trotzdem, dass Sie einen sensationellen Start hatten. Mal ehrlich, Sie müssen doch irgendeine Vorstellung haben, was wir mit einer solchen Erfindung anfangen können. Die Idee, Wasser in Gallerte zu verwandeln, ist Ihnen doch nicht aus heiterem Himmel gekommen. Als Dan Singer und ich anfingen, nach organischen Verfahren zu suchen, mit denen sich Schwefel binden lässt, dachten wir, dass man eine solche Technik in Kraftwerken einsetzen könnte, um deren Emissionen zu reduzieren. Irgendetwas muss doch hinter Ihrem Projekt stecken.«
Susan blinzelte, aber sie hätte sich eigentlich denken müssen, dass Geoffrey Merrick ohne eine ausgeprägte Beobachtungsgabe niemals so weit gekommen wäre. »Ich dachte mir, dass man ein solches Verfahren bei Rücklaufbecken in Bergwerken oder in Wasseraufbereitungsanlagen einsetzen könnte. Vielleicht lässt sich damit sogar die Verbreitung einer Ölpest verhindern.«
»Stimmt ja. Ich erinnere mich. Laut Ihrer Personalakte kommen Sie aus Alaska.«
»Aus Seward, richtig.«
»Sie müssen ein Teenager gewesen sein, als die
Exxon Valdez
auf dieses Riff auflief und ihre Ladung sich in den Prince-William-Sund ergoss. Das muss Sie und Ihre Familie sehr getroffen haben. Es war sicher schlimm.«
Susan zuckte die Achseln. »Nicht so richtig. Meine Eltern betrieben ein kleines Hotel, und bei den vielen Leuten in den Reinigungstrupps ging es ihnen eigentlich ganz gut. Aber ich hatte viele Freunde, deren Eltern alles verloren. Die Eltern meiner besten Freundin ließen sich sogar scheiden, weil ihr Vater infolge der Ölpest seinen Job in einer Konservenfabrik verlor.«
»Dann ist diese Forschungsarbeit für Sie ein ganz persönliches Anliegen.«
Susan ärgerte sich über seinen leicht herablassenden Tonfall. »Ich glaube, es wäre für jeden, der sich Sorgen um unsere Umwelt macht,
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