Schlangenjagd
ein persönliches Anliegen.«
Er lächelte. »Ich weiß, was Sie meinen. Sie sind wie ein Krebsforscher, der ein Elternteil durch Leukämie verloren hat, oder wie jemand, der Feuerwehrmann wird, weil sein Zuhause während seiner Kindheit abgebrannt ist. Sie kämpfen gegen einen Dämon Ihrer Kindheit.« Als sie nichts darauf erwiderte, deutete Merrick dies als ein Zeichen dafür, dass er mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen hatte. »Rache als Motivation ist nichts Falsches, Susan. Rache am Krebs oder an einem Feuer oder an einer Umweltkatastrophe. Dadurch gehen Sie Ihrer Aufgabe weitaus konsequenter nach, als wenn Sie es nur wegen eines möglichst dicken Gehaltsschecks täten. Ich kann Ihnen nur applaudieren, und nach dem, was ich heute Abend gesehen habe, denke ich auch, dass Sie auf dem richtigen Weg sind.«
»Vielen Dank«, sagte Susan schüchtern. »Es ist immer noch viel zu tun. Es dauert vielleicht sogar noch Jahre. Ich weiß es nicht. Von einer winzigen Probe in einem Reagenzglas bis zur Eindämmung einer Ölpest ist es noch ein weiter Weg.«
»Verfolgen Sie Ihre Ideen nur weiter. Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Folgen Sie Ihrem Weg, und das so lange, wie Sie dafür brauchen.« Aus dem Mund jedes anderen außer Geoffrey Merrick hätte es abgedroschen geklungen, aber er sagte es ganz ernst und aufrichtig.
Susan schaute ihm das erste Mal, seit er das Labor betreten hatte, in die Augen. »Vielen Dank … Geoff. Das bedeutet mir sehr viel.«
»Und wer weiß. Nachdem wir unsere Schwefel-Skrubber haben patentieren lassen, wurde ich von der Umweltbewegung zum Paria erklärt, weil sie meinten, dass meine Erfindung nicht genug leiste, um die Luftverschmutzung zu stoppen. Vielleicht können Sie meinen guten Ruf am Ende wiederherstellen.« Er nickte ihr lächelnd zu und verließ das Labor.
Nachdem er gegangen war, kehrte Susan wieder zu ihren Bechergläsern und Reagenzröhrchen zurück. Mit ihren Schutzhandschuhen nahm sie erneut das Glas mit den genetisch veränderten Kieselalgen auf und kippte es abermals auf die Seite. Zehn Minuten waren verstrichen, seit sie es abgestellt hatte, und diesmal klebte die Wasserprobe an der Glasinnenwand wie Kleister, und erst nachdem sie das heiße Glas vollends auf den Kopf gedreht hatte, begann die Probe so langsam wie gekühlte Melasse nach unten zu kriechen.
Susan dachte an die sterbenden Fischotter und Seevögel, die sie als Kind gesehen hatte, und vertiefte sich noch mehr in ihre Arbeit.
3
Auf dem Kongo
Südlich von Matadi
Irgendwann würde der Dschungel die verlassene Plantage und den hundert Meter langen Pier, der sich entlang des Flusses erstreckte, verschlingen. Das Haupthaus, anderthalb Kilometer landeinwärts, war dem Einwirken von Fäulnis und vordringender Vegetation bereits zum Opfer gefallen, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Pier weggeschwemmt wurde und das stählerne Lagerhaus in der Nähe zusammenbrach. Das Dach hing durch wie der Rücken eines lahmen Pferdes, und seine Wellblechhülle war mit Rost und fleckiger Farbe bedeckt. Es war ein gespenstischer, verlassener Ort, dem nicht einmal der weiche milchige Schein eines zu drei Vierteln vollen Mondes einen Anflug von Lebendigkeit verleihen konnte.
Ein großer Frachter schob sich näher an den Pier heran und ließ sogar das wuchtige Lagerhaus winzig klein erscheinen. Den Bug flussabwärts gerichtet und mit den Maschinen im Rückwärtslauf, schäumte das Wasser unter seinem Heck auf, während sich das Schiff gegen die Strömung stemmte, um nicht abzudriften. Angesichts der berüchtigten Strömungen und Wirbel des Kongo war eine hohe Manövrierkunst nötig, um ihre Position zu halten.
Mit einem Walkie-Talkie vor dem Mund und mit dem anderen Arm theatralisch in der Luft herumfuchtelnd, ging der Kapitän auf dem an Steuerbord gelegenen Brückenflügel auf und ab und brüllte dem Steuermann und dem Schiffsingenieur Kurs- und Tempokorrekturen zu. Die Gashebel wurden höchstens millimeterweise bewegt, um das gut hundertachtzig Meter lange Schiff genau dort zu halten, wo er es haben wollte.
Eine Gruppe von Männern in dunklen Drillichanzügen wartete auf dem Pier und verfolgte die Operation. Bis auf einen hatte jeder ein Sturmgewehr. Der Mann ohne AK-47 hatte sich ein Holster um die Hüften geschnallt. Er klopfte mit einer Reitgerte gegen sein Bein und trug trotz der Dunkelheit eine verspiegelte Pilotensonnenbrille.
Der Kapitän war ein hochgewachsener Mann mit einer griechischen
Weitere Kostenlose Bücher