Schlangenjagd
sie für sich als ›den Scharfschützen‹ bezeichnete, in der Durchreiche zur Messe. Er senkte gerade das AK, nachdem er es nicht gewagt hatte zu schießen. Sie winkte ihm dankbar zu, und er revanchierte sich mit einem breiten Grinsen.
Linda legte ein Paar Plastikhandschellen um die Beine eines schweren Kochherdes und fesselte vorsichtshalber die Hände des Terroristen. Danach kehrte sie in die Messe zurück. Ihre anderen beiden Männer bewachten noch immer die Tür, um darauf zu achten, dass keiner der Arbeiter hinausging, um an Deck erschossen zu werden.
Körper lagen auf dem Boden verstreut. Einige mussten tot sein, doch die meisten waren in dem sinnlosen Gemetzel nur verwundet worden. Einige ihrer Kollegen leisteten bereits erste Hilfe, brachten sie in eine bequemere Lage und drückten Stofffetzen und Servietten auf ihre Wunden. Ein Mann schien die Erste-Hilfe-Aktion zu leiten. Es war ein Weißer mit einem Kranz blonder Haare um seinen sonst kahlen roten Schädel. Er hatte die größten Hände, die sie je bei einem Menschen gesehen hatte. Auf seine ungestüme und ruppige Art war er auch der bestaussehende Mann, dem sie je begegnet war. Als er aufstand, nachdem er einen Arbeiter, der an einem umgestürzten Tisch lehnte, untersucht hatte, entdeckte er sie und durchquerte mit fünf langen Schritten den Raum.
»Kleine Lady, ich weiß nicht, wer Sie sind oder woher auch immer Sie gekommen sein mögen, aber verdammt noch mal, Darlin’, ich kann sagen, ich bin wirklich froh, Sie zu sehen.« Er stand vor ihr wie ein Riese, und seine Stimme war reinstes West-Texas. »Ich bin Jim Gibson, der Bohrmeister auf dieser Insel.«
Linda wusste natürlich, dass dies die Bezeichnung für den Chef einer Ölbohrinsel war. »Ross, mein Name ist Linda Ross. Warten Sie einen Augenblick.« Sie setzte ihren Ohrhörer wieder ein, der während des Kampfs verrutscht war. »Juan, hier ist Linda.«
»Gott sei Dank. Ich brauche dich und deine Männer
jetzt
hier oben. Wir beziehen kräftig Prügel. Um die Arbeiter kannst du dich später kümmern.« Im Hintergrund unterstrich ein heftiger Schusswechsel seine Worte.
»Sie sind außer Gefahr, und ich bin schon unterwegs.« Sie drehte sich zu dem großen Texaner um. »Mr. Gibson.«
»Jim.«
»Dann Jim, Sie müssen Ihre Leute hier festhalten. Oben laufen immer noch Terroristen herum. Sie haben irgendetwas mit der Plattform gemacht, sodass Öl in den Ozean fließt. Wenn wir die Rebellen ausschalten, könnten Sie dann mit Ihren Leuten das Ausströmen des Rohöls stoppen?«
»Na klar können wir das. Was ist denn los?«
Linda rammte ein frisches Magazin in ihre Maschinenpistole, während sie antwortete. »Eine Gruppe Rebellen aus dem Kongo wurde angeheuert, um mehrere Bohrinseln und den Tanker-Terminal zu besetzen.«
»Ist es was Politisches?«
»Jim, ich verspreche Ihnen, alles zu erklären, wenn diese Sache vorbei ist, aber im Augenblick muss ich mich erstmal verabschieden.«
»Sie können es mir beim Abendessen erzählen. Ich kenne ein hervorragendes portugiesisches Restaurant in Cabinda City.«
»Und ich kenne ein noch besseres in Lissabon«, rief Linda über die Schulter. »Aber Sie bezahlen.«
Mike hielt die
Liberty
auf direktem Kurs zur Kaimauer, ehe er im letzten Augenblick noch das Ruder herumriss und die Gashebel nach hinten zog. Obwohl es nicht mehr von den Flügeln getragen wurde, tauchte das Boot ein wenig tiefer ins Wasser ein, während es mit der Seite die Betonmauer so sanft berührte, dass noch nicht einmal die Muscheln, die auf der rauen Oberfläche klebten, in ihrem beschaulichen Dasein gestört wurden.
Die vordere Luke war geöffnet, und Männer strömten aus dem Boot auf den Kai, wo sie jede Deckung aufsuchten, die sie finden konnten. Vereinzelte Schüsse aus Handfeuerwaffen kamen aus der Richtung des Terminals, aber dank Mark Murphys Einsatz und Mike Tronos Fähigkeiten, mit dem Boot umzugehen, waren bisher nur wenige Rebellen bis in Schussweite vorgedrungen.
Mike raffte seine Ausrüstung zusammen und sprang auf die Kaimauer. Dort gab es keine Möglichkeit, das Boot festzumachen, daher holte er eine besondere Waffe aus dem Hosenbund auf seinem Rücken. Angetrieben von einer Kaliber-.22-Patrone, trieb die Pistole einen zehn Zentimeter langen Stahlstab in den Beton. Er lud die Waffe nach und verschoss einen zweiten Bolzen, dann schlang er eine Leine darum, die über den Rand der
Liberty
ins Wasser hing.
Die Freiheitskämpfer hatten ihre mühsam gelernten Lektionen
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