Schlangenjagd
»Jetzt!«
Eingehüllt in eine Blasenwolke hochkomprimierter Luft schoss der sieben Meter lange Torpedo aus dem Rohr und legte fast zwanzig Meter zwischen sich und das Schiff, ehe die Silbersulfat-Zink-Batterien den Elektromotor starteten. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Test-71 sein Marschtempo von vierzig Knoten erreichte.
Mark konnte auf seinem Bildschirm verfolgen, wie der Torpedo auf den Tanker zuglitt. Deutlich waren die dünnen Fäden der Steuerleitung zu erkennen, die er hinter sich herzog. Vorläufig ließ er dem stählernen Fisch freie Bahn, doch er hatte die Hand am Joystick, um, wenn nötig, Kurskorrekturen vornehmen zu können.
»Rohr zwei – Jetzt!«
Murph schickte den zweiten Torpedo auf die Reise, während das Abschussgeräusch wie ein hohles Husten durch das ganze Schiff hallte. Nach einem kurzen Moment meldete er: »Beide Torpedos abgefeuert und auf Zielkurs.«
»Juan«, gab Max durch, »zwei Fische sind zu euch unterwegs, daher wird es nun Zeit, die Fliege zu machen.«
»Wir arbeiten daran«, antwortete Cabrillo.
Er blickte hinauf in den Regensturm, während George den Robinson Stück für Stück herunterbrachte. Es war sein dritter Versuch, mit dem Helikopter auf dem Deck aufzusetzen. Die tobenden Winde hatten die ersten beiden Versuche bereits vereitelt, als der Hubschrauber noch zwanzig Meter über dem Schiff stand. Eine Böe traf den Helikopter, und George glich die Turbulenz augenblicklich aus, damit die Maschine mit der
Gulf of Sidra,
die siebzehn Knoten Fahrt machte, auf gleicher Höhe blieb.
»Komm schon, Georgie-Boy«, murmelte Eddie und trat auf der Stelle, damit seine Schuhsohlen nicht verschmorten. »Du schaffst es.«
Der Robinson näherte sich, diesmal erheblich niedriger, sodass der Luftdruck der Rotorflügel eine kreisrunde regenfreie Fläche auf dem Deck schuf. Sie konnten Adams hinter der Windschutzscheibe aus Plexiglas erkennen. Sein filmreifes Gesicht war vor Konzentration angespannt. Die Kufen schwebten verlockende drei Meter über dem Deck, und als die
Sidra
auf einer Welle hochstieg, verringerte sich der Abstand noch. Eddie und Juan brachten sich in Position, damit sie die hinteren Türen des Hubschraubers aufreißen und so schnell wie möglich hineinhechten konnten.
Adams schaffte es, den Robinson fast fünfzehn Sekunden lang in Position zu halten und abzuwarten, bis der Tanker den höchsten Punkt der Welle erreichte. Als er wieder zu sinken begann, ließ er den Robinson den letzten halben Meter sacken. Cabrillo und Eddie rissen die Türen auf und warfen sich mit dem Kopf voran in die Kanzel, während sich der Hubschrauber wieder in die Luft erhob. Adams betätigte den Gashebel, und sie lösten sich von dem Tanker.
»Das war echte Flugkunst in ihrer reinsten Form«, stellte Juan anerkennend fest, während er seinen Platz einnahm und sich anschnallte.
»Bitte keine Vorschusslorbeeren. Noch muss ich sicher auf der
Oregon
landen«, wiegelte Adams ab. Dann grinste er. »Aber ganz richtig, das war verdammt gekonnt, wenn ich das bemerken darf. Ach ja, und falls es euch interessiert, der Riss mittschiffs ist größer geworden. Das Deck zeigt ebenfalls erste Risse.«
»Das tut jetzt auch nichts mehr zur Sache«, sagte Juan und aktivierte sein Funkgerät. »Max, wir sind klar. Wo sind die Torpedos?«
»Zweitausend Meter und auf Zielkurs. Etwa vier Minuten bis zum Kontakt.«
Der Atlantik war viel zu rau, um die Blasenspur der Torpedos im Wasser verfolgen zu können, aber die drei Männer im Hubschrauber, der in etwa zweihundertfünfzig Metern Höhe über der Szene stand, hätten eine einzigartige Sicht, wenn sie einschlugen und explodierten.
»Ich zünde das Hypertherm zehn Sekunden vor dem Aufschlag«, sagte Juan. »Treffer an Backbord und an Steuerbord dürften alles unterhalb der Wasserlinie zerschneiden, und der Sprengstoff wird von oben her alles durchtrennen. Der Bug müsste wie eine Scheibe Brot abfallen.«
Murph meldete sich über das taktische Funknetz. »Ich gebe die Entfernungen durch. Bei fünfzig Metern kannst du zünden.«
Drei angespannte Minuten verstrichen, während Mark die Torpedos auf die Punkte der
Gulf of Sidra
lenkte, wo Juan und Eddie das Hypertherm angebracht hatten. Juan hielt den Fernzünder in der Hand, sein Daumen war nur Millimeter vom Auslöseknopf entfernt.
»Einhundert Meter«, meldete Mark.
Während sich die Torpedos von zwei Seiten dem Tanker näherten, stiegen sie unter Wasser auf, sodass man die Blasenspur ihres Kielwassers
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