Schlangenjagd
hin glühten. Rechts davon standen ein Regal zum Trocknen von Fischen, ein paar Fässer zum Sammeln und Aufbewahren von Süßwasser und ein Boot mit Holzrumpf, das mit einer einzigen Leine an einem Baumstumpf vertäut worden war. Das Boot besaß einen flachen Rumpf und war nicht gerade ideal, um im offenen Meer zu fischen, was Sloane zu der Überzeugung brachte, dass Luka recht gehabt hatte, als er meinte, dass Papa Heinrick vorwiegend in Ufernähe blieb.
Das Lager war primitiv, aber jemand, der an das Leben unter freiem Himmel gewöhnt war, konnte hier ewig durchhalten.
»Was tun wir?«, flüsterte Tony, als sie das Schlauchboot an Land gezogen hatten.
Sloane näherte sich der Tür, vergewisserte sich, dass das Geräusch, das sie hörte, das Schnarchen einer einzelnen Person und nicht der Wind oder die Brandung war, und zog sich wieder leise zurück. Sie setzte sich auf den Sandstrand, holte ihren Laptop aus der Tasche und tippte leise, während sie an ihrer Unterlippe nagte.
»Sloane?«, flüsterte Tony in drängenderem Ton.
»Wir warten, bis er aufwacht«, erwiderte sie.
»Aber wenn das hier gar nicht Papa Heinricks Hütte ist? Wenn jemand anders hier wohnt? Piraten oder Banditen oder wer weiß wer?«
»Ich sagte Ihnen doch, dass ich nicht an glückliche Zufälle glaube. Ich glaube überhaupt nicht an Zufälle. Dass wir genau dort eine Hütte gefunden haben, wo Papa Heinrick wohnen soll, heißt, dass wir Papa Heinrick gefunden haben. Ich unterhalte mich lieber am Morgen mit ihm, anstatt dem komischen alten Kauz mitten in der Nacht einen Schreck einzujagen.«
Das leise Schnarchen in der Hütte veränderte sich weder in Klang noch in der Lautstärke. Aber plötzlich schob ein verhutzelter Afrikaner, der nicht mehr am Leib trug als ein Suspensorium – wie Leichtathleten es zu tragen pflegen –, die Decke beiseite. Er stand auf dünnen Beinen da und war insgesamt so dünn, dass jede Rippe seines Brustkorbs zu sehen war, und unterhalb seiner Schlüsselbeine war die Haut tief eingesunken. Er besaß eine breite, flache Nase und große Henkelohren, die mit Ohrringen aus Horn durchstochen waren. Sein Haar war schneeweiß, und seine Augen schimmerten gelb.
Er schnarchte weiter, und für einen kurzen Moment glaubte Sloane, dass er schlafwandelte, aber dann kratzte er sich zwischen den Beinen und spuckte auf die Feuerstelle.
Sloane stand auf. Sie war gut dreißig Zentimeter größer als der Namibier, und sie kam zu dem Schluss, dass er Buschmannblut in seinen Adern haben musste, um von derart kleinem Wuchs zu sein. »Papa Heinrick, wir haben einen weiten Weg zurückgelegt, um Sie zu besuchen. Die anderen Fischer in Walvis Bay meinen, Sie seien der Weiseste unter ihnen.«
Sloane hatte sich vergewissert, dass Papa Heinrick Englisch sprach, aber der zwergenhafte Mann gab durch nichts zu erkennen, dass er sie verstand. Sie musste die Tatsache, dass er aufgehört hatte, so zu tun, als schnarche er, schon als günstiges Zeichen werten, und fuhr fort. »Wir wollten Ihnen einige Fragen darüber stellen, wo Sie fischen, wo das Fischen schwierig ist und wo Sie schon mal Netze und Leinen verloren haben. Würden Sie uns solche Fragen beantworten?«
Heinrick kehrte in seine Hütte zurück und ließ die Decke wieder über den Eingang zurückfallen. Er tauchte wenige Sekunden später mit einer Steppdecke über den Schultern erneut auf. Sie bestand aus locker zusammengenähten Laken, und bei jeder Bewegung drangen an den Nähten Federn nach draußen. Er entfernte sich ein kurzes Stück von ihnen, urinierte geräuschvoll ins Wasser und kratzte sich dabei ausgiebig am Bauch.
Dann hockte er sich mit dem Rücken zu Tony und Sloane neben seine Feuerstelle. Die Knochen seiner Wirbelsäule sahen wie eine Kette aus schwarzen Perlen aus. Er blies in die Glut und legte Treibholzscheite hinein, bis er ein kleines Feuer erzeugt hatte. »Es gibt in diesen Gewässern viele schwierige Orte zum Fischen«, sagte er mit einer Stimme, die für eine solche kleine Gestalt überraschend tief klang. Er hatte sich dabei nicht zu ihnen umgewandt. »Ich habe überall gefischt, und wehe jemand geht dorthin, wohin Papa Heinrick geht. Ich habe so viele Angelschnüre verloren, dass sie von hier bis zur Cape Cross Bay reichen.« Das lag mehr als hundertzwanzig Kilometer weit im Norden. »Und zurück«, fügte er hinzu, als wollte er sie dazu herausfordern, seine Prahlerei in Zweifel zu ziehen. »Ich habe genug Netze verloren, um die gesamte Namib damit zu
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