Schlangenjagd
bedecken. Ich habe gegen Wellen gekämpft, bei deren Anblick andere Männer zu jammern anfangen und ihre Eingeweide sich in Wasser verwandeln. Und ich habe Fische gefangen, größer als das größte Schiff, und ich habe Dinge gesehen, die andere Männer wahnsinnig werden lassen.«
Schließlich drehte er sich um. Im flackernden Lichtschein seines Feuers lag in seinen Augen plötzlich ein dämonisches Funkeln. Er lächelte und entblößte drei Zähne, die wie die Zacken von Zahnrädern ineinandergriffen. Sein Lächeln verwandelte sich erst in ein Kichern und dann in ein bellendes Gelächter, das abrupt mit einem Hustenanfall endete. Als er sich davon erholt hatte, spuckte er wieder ins Feuer. »Papa Heinrick verrät seine Geheimnisse nicht. Ich weiß Dinge, die Sie wissen wollen, aber Sie werden sie niemals erfahren, weil ich es nicht will.«
»Warum wollen Sie das nicht?«, fragte Sloane, nachdem sie den Satz im Stillen wiederholt hatte, um festzustellen, ob sie richtig verstanden hatte. Sie hockte sich neben ihn.
»Papa Heinrick ist der größte Fischer, der je gelebt hat. Warum soll ich Ihnen meine Geheimnisse verraten und Sie zu meinen Konkurrenten machen?«
»Ich will hier nicht fischen. Ich suche nach einem Schiff, das vor langer Zeit gesunken ist. Mein Freund und ich« – sie deutete auf Tony, der zurückgewichen war, nachdem er einen Hauch von Papa Heinricks Körpergeruch aufgefangen hatte – »suchen dieses Schiff, denn …« Sloane hielt inne und dachte sich schnell eine Geschichte aus. »Denn wir wurden engagiert, um etwas zurückzuholen, was sich darauf befindet und einem reichen Mann gehört, der es verloren hat, als das Schiff versank. Wir glauben, dass Sie uns helfen können.«
»Bezahlt dieser reiche Mann?«, fragte Heinrick listig.
»Ein wenig, ja.«
Der Fischer wedelte so mit einer Hand, dass es aussah, als flatterte eine Fledermaus durch die Nacht. »Papa Heinrick hat keine Verwendung für Geld.«
»Was würden Sie denn nehmen, wenn Sie uns helfen?«, fragte Tony plötzlich. Sloane hatte hinsichtlich dessen, was der alte Mann sich wünschen könnte, ein ungutes Gefühl, und schickte Tony einen vernichtenden Blick.
»Ich werde Ihnen nicht helfen«, sagte Heinrick zu Tony und sah dann zu Sloane. »Ihnen werde ich helfen. Sie sind eine Frau und fischen nicht, deshalb werden Sie nie meine Konkurrentin.«
Sloane hatte nicht die Absicht, ihm zu erzählen, dass sie in Fort Lauderdale aufgewachsen war und ihre Sommer damit verbracht hatte, ihrem Vater auf seinem Charterfischerboot zu helfen, und dass sie dann allein hinausgefahren war, als er mit fünfzig Jahren an Alzheimer erkrankte. »Vielen Dank, Papa Heinrick.« Sloane holte eine große Landkarte aus der Tasche und breitete sie neben dem Feuer aus. Tony kam näher und sorgte mit seiner Taschenlampe für eine bessere Beleuchtung. Die Landkarte zeigte die Küstenlinie von Namibia. Dutzende von Sternen waren dicht vor der Küste eingezeichnet worden. Die meisten drängten sich um Walvis Bay, aber andere waren an der gesamten Küste verteilt.
»Wir haben mit vielen anderen Fischern gesprochen und sie gefragt, wo sie Schnüre und Netze verlieren. Wir glauben, dass an einer dieser Stellen ein gesunkenes Schiff liegt. Können Sie es sich mal ansehen und mir sagen, ob vielleicht irgendeine Stelle fehlt?«
Heinrick studierte die Landkarte eindringlich, wobei sein Blick von Stern zu Stern sprang und er mit den Fingern an der Küstenlinie entlangfuhr. Schließlich hob er den Kopf und sah Sloane an. Sie konnte erkennen, dass hinter seinen Augen ein Anflug von Wahnsinn lauerte, als ob seine Wirklichkeit mit ihrer eigenen nicht allzu viel zu tun hatte. »Ich kenne diesen Ort nicht.«
Verwirrt legte Sloane einen Finger auf Walvis Bay und sprach den Namen aus. Dann schob sie ihn nach Süden und sagte: »Wir sind hier in der Sandwich Bay.« Sie tippte mit dem Finger auf den oberen Teil der Landkarte. »Und dort ist Cape Cross.«
»Das verstehe ich nicht. Cape Cross ist dort.« Heinrick deutete theatralisch nach Norden. »Dort kann es nicht sein.« Er tippte auf einen Punkt auf der Karte.
Sloane begriff, dass Papa Heinrick, obgleich er fast sein ganzes Leben auf See verbracht hatte, noch nie eine nautische Karte gesehen hatte. Sie stöhnte innerlich auf.
Während der nächsten zwei Stunden ging Sloane mühevoll die Orte durch, an denen Netze verloren oder wo Schnüre sich verschlungen und verknotet hatten. Weil sich die Wüste unter dem Ozean Hunderte
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