Schlangenjagd
dass es auch so ist. Und sobald sie ihren Schützling ins Krankenhaus gebracht haben, verschwinden sie einfach. Kein Ruhm, kein Gotteskomplex, kein ›Toll, Doc, Sie haben mir das Leben gerettet‹. Man erledigt seinen Job und geht zum nächsten über.«
»Das gefällt mir«, sagte Sloane nach einer Weile. »Und Sie haben Recht. Mein Vater hatte sich während einer Charter ziemlich schlimm das Bein verletzt, wir mussten per Funk einen Krankenwagen rufen. Und ich musste das Boot in den Hafen bringen. Ich erinnere mich, dass es ein Dr. Jankowski war, der das Bein im Krankenhaus zusammengeflickt hat, aber ich habe keine Ahnung von dem Namen des Mannes, der die Wunde noch auf dem Kai verbunden hat. Ohne ihn wäre mein Dad wahrscheinlich verblutet.«
»Unbesungene Helden«, meinte Juan. »Die mag ich am liebsten.« Für einen kurzen Augenblick kehrte er in Gedanken zu der Wand voller Sterne zurück, die in der Eingangshalle der Hauptverwaltung der CIA in Langley stand. Jeder Stern repräsentierte einen Agenten, der im Einsatz den Tod gefunden hatte. Von den dreiundachtzig Agenten blieben immer noch fünfunddreißig ohne Namen und bewahrten das Geheimnis der Firma sogar noch über ihren Tod hinaus. Unbesungene Helden, jeder Einzelne von ihnen. »Wie steht es mit Ihnen? Was würden Sie tun, wenn Sie keine Sicherheitsexpertin einer Diamantenfirma wären?«
Sie schickte ihm ein herausforderndes Grinsen. »Nun, dann wäre ich Kapitän der
Oregon.«
»Oh, Max wäre begeistert.«
»Max?«
»Mein Chefingenieur und Erster Offizier«, antwortete Juan liebevoll. »Man muss ihn kennen, um ihn zu lieben.«
»Das kann man wohl sagen.«
»Mr. Hanley ist etwas ganz Besonderes. Tatsächlich, ich habe nie einen loyaleren Menschen oder besseren Freund gekannt.«
Sloane leerte den Deckelbecher und gab ihn Juan zurück. Er schraubte ihn wieder auf die Thermosflasche und schaute auf die Uhr. Es war fast Mitternacht.
»Ich dachte gerade«, sagte er, »anstatt mitten in der Nacht in Swakopmund anzulegen und möglicherweise Verdacht zu erregen, warum nehmen wir nicht gleich Kurs nach Süden – dorthin, wo Sie Papa Heinrick getroffen haben? Auf diese Art und Weise können wir ihn morgen früh abfangen, ehe er zum Fischen rausfährt. Meinen Sie, Sie könnten seine Behausung wiederfinden?«
»Kein Problem. Sandwich Bay liegt etwa vierzig Kilometer südlich von Swakopmund.«
Juan wandte sich dem GPS zu, berechnete im Kopf die neuen Koordinaten und gab sie in das Navigationsgerät ein. Daraufhin bewegten Servomotoren das Ruderrad ein paar Grad weiter nach Backbord.
Gut vierzig Minuten später tauchte Afrika aus der Dunkelheit auf: mit Sandhügeln, die im Mondlicht schimmerten, und gelegentlichen weißen Schaumkronen einer Brandung, deren Wellen an den Strand spülten. Die lange Halbinsel, die Sandwich Bay wie eine Barriere schützte, befand sich knapp einen halben Kilometer südlich von ihnen.
»Da haben Sie sich als Navigator fast selbst übertroffen«, stellte Sloane anerkennend fest.
Juan klopfte mit dem Fingerknöchel auf den GPS-Empfänger. »Das Lob gebührt unserer Freundin hier. Was das Navigieren betrifft, hat uns das GPS alle ein wenig faul werden lassen. Ich glaube nicht, dass ich meine Position mit Hilfe eines Sextanten und einer Uhr bestimmten könnte, selbst wenn mein Leben davon abhinge.«
»Irgendwie kann ich Ihnen das nicht glauben.«
Juan nahm das Gas zurück, um ihr Kielwasser zu verringern, während sie in das empfindliche Ökosystem der Lagune eindrangen. Sie brauchten etwa zwanzig Minuten, um das südlichste Ende der Bucht zu erreichen. Sloane leuchtete die dichten Schilfwände mit einer Taschenlampe ab, während sie langsam am Ufer entlangglitten und nach der Lücke suchten, die zu Papa Heinricks privater kleiner Lagune führte.
»Dort«, sagte sie und streckte die Hand aus.
Juan ging mit der Geschwindigkeit noch weiter herunter und lenkte das Boot im Kriechtempo ins Schilf. Er achtete ständig auf die Wassertiefe und darauf, dass im Wasser treibende Pflanzenreste nicht in die Schrauben gerieten. Das Rettungsboot schob sich durch das hohe Gras, und die Schilfhalme verursachten einen zischenden Laut, als sie über den Bootsrumpf und die Seitenwände der Kabine strichen.
Sie hatten schon etwa siebzig Meter zurückgelegt, als Juan Brandgeruch wahrnahm. Er hob das Gesicht und sog wie ein Hund die Luft ein, konnte den Geruch aber nicht mehr wahrnehmen. Dann war er plötzlich wieder da, stärker, durchdringender,
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