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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Bescheid.«
    »Sie haben ihr aber nicht gesagt, was für eine Nachricht?«
    »Was hätte ich ihr erzählen sollen?«, fragt Zlatan zurück. »Dass General Jovan Mesic keinen Schnurrbart mehr trägt und auch keine Uniform? Das hätte diese Frau doch nicht interessiert. Dass er nicht einmal mehr General ist und auch nicht mehr Jovan Mesic heißt, sondern Daniel Kirstejn, und auch keine Kutte tragen muss oder Sandalen, und dass er recht wohlhabend geworden ist und sich eine Suite im Brandenburg Residence Hotel leisten kann? Das hätte dieser Frau doch alles nichts gesagt.«
    Berndorf löst den Blick von dem Flyer. Für Köln Hauptbahnhof ist ein Anschlusszug vermerkt, der um zehn Uhr siebenundvierzig in Den Haag Centraal ankommt.
    »Herr Fausser hätte vielleicht etwas damit anfangen können. Aber jetzt mag ich nicht noch einmal anrufen, verstehen Sie das?«
    Sie gehen an dem Mann mit der Gelhaarfrisur vorbei zu den Abteilen der Ersten Klasse. Berndorf antwortet nichts, auch nicht, als sich die Tür des Speisewagens hinter ihnen geschlossen hat. Der Zug schaukelt, es ist nicht so einfach, Konversation zu machen, wenn man sich von Sitzlehne zu Sitzlehne hangeln muss. Der Zug hat zwei Erste-Klasse-Wagen, sie gehen bis zum Ende des ersten Wagens, und Zlatan verschwindet auf der Toilette.
    Der Platz vor der linken Ausstiegstür kann aus dem Wagen dahinter nicht eingesehen werden. Berndorf wartet dort, und während des Wartens beschleichen ihn Zweifel. Wahrscheinlich war es falsch, den Zug nach Köln zu nehmen. So leicht darf er für Olga nicht auszurechnen sein.
    Mit fast unhörbarem hydraulischen Fauchen öffnet sich die Tür zum Abteil, Berndorf tritt in den Gang vor und rumpelt mit einem eleganten jungen Mann zusammen: Kamelhaarmantel, Gelhaarfrisur, Nadelstreifenanzug. Hinter ihnen geht die Tür des WC auf, Zlatan erscheint und tritt hinter den jungen Mann und presst ihm die Mündung der Beretta gegen die Nieren.
    »Ganz ruhig«, sagt Berndorf, »dann hau ich Ihnen auch nichts auf den Kopf!« Gemeinsam schieben sie den jungen Mann in die Toilette, wo er sich mit erhobenen Händen gegen die Wand lehnen muss. Für drei Männer ist die Toilette sehr eng, so bleibt Zlatan in der Tür stehen, während Berndorf dem jungen Mann die Pistole aus dem Schulterhalfter zieht und sie in den eigenen Hosenbund steckt. Dann muss er sich bücken, um ihm den Schnürsenkel aus einem der eleganten italienischen Halbschuhe zu nesteln, denn er hat sonst nichts, womit er ihm die beiden Daumen hinter dem Rücken zusammenbinden kann.
    »Ist diese Toilette frei?«, fragt in seinem Rücken eine Frauenstimme, in der vor allem eines mitschwingt: scharfe Missbilligung.
    »Es tut mir sehr leid, Gnädige Frau«, hört er Zlatan antworten, der noch immer den Eingang zur Toilette abschirmt, die Beretta auf den jungen Mann gerichtet, »aber mein Freund hatte einen Anfall, es ist schon überstanden, aber manchmal … manchmal muss er sich danach übergeben, Sie verstehen?«
    Die Frau bemerkt, dass es wenig verantwortungsvoll sei, jemanden mit einem solchen Krankheitsbild mit der Bahn reisen zu lassen, zudem sei es rücksichtslos, ausgesprochen rücksichtslos sogar, aber dann entfernt sich die Stimme, Berndorf nickt Zlatan zu und verriegelt die Toilettentür von innen und holt erst einmal Atem, so gut man das in einem WC eben kann. Er hat jetzt ein wenig Zeit, die Toilette ist nun besetzt, ein anderer Fahrgast wartet davor – das ist nichts, was irgendjemandem auffallen könnte.
    »Verstehen Sie Deutsch?«
    Keine Antwort.
    »Wenn Sie nicht mit mir reden wollen, dann eben nicht«, meint Berndorf, knüllt ein paar der grauen Toilettenpapierblätter aus den Beständen der Bahn zusammen, greift mit der linken Hand um den Kopf des jungen Mannes herum, hält ihm die Nase zu und stopft ihm mit seiner rechten Hand das zusammengeknüllte Recyclingpapier in den Mund. Das geht nicht besonders gut, die rechte ist die verletzte, die verbundene Hand, zudem wehrt sich der Mann, der noch immer an der Kabinentür lehnt, er strampelt und versucht, in die verbundene Hand zu beißen, die ihm schon wieder einen Papierknäuel in den Mund schiebt. Berndorf lässt ihn zwar wieder zu Atem kommen, hält ihm aber den Mund zu, nach einer Weile fällt der Widerstand in sich zusammen, und Berndorf kann den weißen Seidenschal nehmen und ihn dem jungen Mann so um Mund und Kopf binden, dass der Knebel aus Recycling-Papier für eine Weile fest verankert ist.
    »Atmen Sie ganz ruhig und

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