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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Fensterseite bekommt einen Espresso serviert und bezahlt sogleich. Auch Berndorf lässt sich die Rechnung geben und – während er auf das Wechselgeld wartet – nickt er Zlatan zu. »Und wohin fuhren sie wirklich?«
    »Sie werden es nicht glauben«, beginnt Zlatan von Neuem, als der Ober gegangen ist, »aber sie haben mich tatsächlich in ein Krankenhaus gebracht, das heißt, es war ein Lazarett des Roten Kreuzes, bei einem Flughafen war das aufgebaut. Die Ärzte dort wollten mich aber nicht nehmen, vielleicht weil ich aus Dretelj gebracht wurde oder weil ich Bosniak bin, und da ist mir dann die Karte eingefallen, die mir Fausser gegeben hatte – Christian Fausser, das war dieser Deutsche, der den General Mesic so … so angeschnauzt hat, so sagt man das doch?«
    »Diese Karte …«, fragt Berndorf, »hat Fausser da irgendetwas dazu geschrieben?«
    »Nein, dazu war auch keine Zeit. Er war Abgeordneter, habe ich Ihnen das gesagt? Abgeordneter im Bundestag, er ist es noch immer, und er sagte mir, wenn es Schwierigkeiten gäbe, sollte ich die Karte vorweisen und bitten, dass man ihn anruft. In dem Lazarett wussten sie aber nicht, was sie damit anfangen sollten, überhaupt hätte man ihn an jenem Tag gar nicht anrufen können, weil er ja nicht in Deutschland war. Dann haben sie mir doch eine Infusion gegeben und ein wenig Suppe, das war schon sehr viel Glück für diesen einen Tag, aber Glück hatte ich noch viel mehr – da war ein deutsches Flugzeug, das Verletzte nach Deutschland bringen sollte. Und eine von diesen Verletzten, eine Frau, mit der die Serben gemacht hatten, was die Serben damals mit den bosnischen und kroatischen Frauen so gemacht haben – die war verblutet oder hatte nicht weiterleben wollen und war gestorben, und deshalb war ein Platz frei, und sie nahmen mich mit nach Deutschland.« Er nickt, als müsse er etwas bekräftigen. »So ist das, wenn Krieg ist. Und so geht es zu, wenn einer im Krieg Glück haben soll.«
    »Seither sind Sie in Deutschland?«
    »Ja. Seither.«
    »Haben Sie Fausser noch einmal gesehen?«
    Zlatan zögert. »Nein«, kommt es schließlich, »ich habe ihn nicht wiedergesehen und auch nicht mit ihm gesprochen. Obwohl … er hatte mir gesagt, ich solle ihn anrufen, wenn ich in Sicherheit sei. Ich habe das auch versucht, ein paar Monate später, aber vielleicht war es nicht der richtige Tag, oder ich war ungeschickt oder mein Deutsch hat nicht gereicht – jedenfalls war eine Frau am Telefon, die nicht verstand, was ich wollte. Das heißt, ich wollte ja gar nichts, sondern nur mich bedanken, und das hat sie nicht verstanden.«
    »Und Sie haben es nie wieder versucht?« Als sei er an der Antwort nicht wirklich interessiert, wirft Berndorf einen Blick auf seine Taschenuhr. Aber bis Bonn – das ist der nächste Halt – haben sie noch Zeit, und so blickt er wieder zu Zlatan, fragend.
    »Nach dem ersten Mal hab ich mir gedacht, das ist nicht willkommen, wenn jemand wie ich bei einem so wichtigen Mann anruft. Das gehört sich vielleicht gar nicht …« Er zuckt mit den Schultern.
    »Und trotzdem haben Sie es noch einmal versucht?«, fragt Berndorf, nicht ins Blaue hinein, sondern weil Zlatan von einem ersten Mal gesprochen hat.
    »Doch«, antwortet Zlatan. »Einmal noch.«
    »Und?«
    »Ich hätte es nicht tun sollen«, kommt die Antwort. »Es ist keine gute Angewohnheit, nur weiterzuleben, weil jemand anderes tot ist.«
    »Es ist nicht Ihre Schuld«, wendet Berndorf ein.
    »Was ändert das?«
    Berndorf weiß darauf keine Antwort. »Wann haben Sie das zweite Mal angerufen?«
    »Was haben wir heute? Donnerstag?«, fragt Zlatan zurück. »Dann war es vor einer Woche. Donnerstag vor einer Woche, kurz vor Mittag.«
    »Aber Sie haben Fausser wieder nicht erreicht?«
    »Nein, wieder war eine Frau am Telefon. Sie war nicht einmal unfreundlich. Aber Fausser war nicht da. Er sei auf einer Konferenz, auf einer Konferenz am Starnberger See. Und ich solle nächste Woche wieder anrufen. Das hätte ich auch getan, aber dann ist die Geschichte mit dem Kerl passiert, der meine Jacke gestohlen hat …«
    Wieder blickt Berndorf auf die Uhr. Dann nickt er Zlatan zu, steht auf und nimmt seinen Mantel vom Haken. »Haben Sie der Frau denn gesagt, warum Sie Fausser sprechen wollten?« fragt er, während er den Mantel anzieht.
    »Das habe ich«, entgegnet Zlatan. »Ich hab ihr gesagt, ich hätte eine Nachricht zu überbringen. Eine Nachricht von General Jovan Mesic. Herr Fausser wisse dann schon

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