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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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unbeteiligter 23jähriger Mann türkischer Herkunft zum Opfer.
    Murad A. befand sich in der Nacht zum Montag auf dem Heimweg, als er beim Alten Garnisonfriedhof von einem dunkel lackierten Landrover erfasst und getötet wurde. Nach Angaben der Familie A. deuten die Unfallspuren darauf hin, dass auf den 23jährigen regelrecht Jagd gemacht wurde. Die Motive für das Verbrechen liegen im Dunklen, aber ein von der Familie eingeschalteter Privatdetektiv will herausgefunden haben, dass Murad A. mit dem 48jährigen Zlatan S. verwechselt worden ist, einem Überlebenden des berüchtigten kroatischen Gefangenenlagers Dretelj. Zlatan S. ist seit Montag untergetaucht.
    Dretelj war 1993 in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten, als eine Delegation des Deutschen Bundestags auf einer Besichtigung des Lagers bestand. Dabei fiel den Abgeordneten ein völlig abgemagerter Mann am Rand des Hungertodes auf, und sie bestanden darauf, dass er in ein Krankenhaus gebracht wurde. Bei diesem Mann handelt es sich um den Hotelangestellten Zlatan S., der später nach Deutschland ausreisen konnte und seit Jahren in Berlin lebt (unsere Aufnahme oben zeigt ihn 1993 im Gespräch mit den deutschen Parlamentariern).
    Über die Motive eines Anschlags auf Zlatan S. können nur Vermutungen angestellt werden. Beim Internationalen Gerichtshof für Jugoslawien ist zwar ein Ermittlungsverfahren gegen den für das Lager Dretelj verantwortlichen kroatischen Befehlshaber Ivan Mesic eingeleitet worden (auf unserem zweiten Bild im Gespräch mit MdB Christian Fausser, einem der Teilnehmer der deutschen Delegation), doch ist Mesic seit einigen Jahren untergetaucht und lebt heute angeblich in einem argentinischen Franziskanerkloster. – Von der Berliner Polizei ist zu dem Fall nur zu hören, dass zwar »in allen Richtungen ermittelt« werde, wie Senatsrat Holger Missenpfuhl erklärte. Ein Zusammenhang mit dem Fall Mesic sei »aber reine Spekulation«.
    Wo Missenpfuhl Recht hat, hat er Recht, denkt Barbara Stein und legt die Zeitung wieder zur Seite. Zwar verhält es sich vermutlich genauso, wie dieses abgrundtief substanzlose Machwerk es unterstellt – dennoch muss der Redakteur, der es ins Blatt gerückt hat, zuvor von Örtlein betrunken gemacht worden sein.
    Sie beschließt, Berndorf eine SMS zu schicken, damit er sich die Zeitung besorgt – und sei es nur als Strafe für seine Geheimniskrämerei.
    A uf den Autobahnen um Köln herrscht an diesem Morgen dichter Verkehr, aber die Stauwarnungen im Radio beziehen sich auf das Ruhrgebiet. Der kleine Renault, den sie in Bonn gemietet haben, wird von Zlatan gesteuert, denn der Wagen hat kein Automatikgetriebe, und Berndorfs Hand schmerzt wieder stärker. Es liegt eben kein Segen darin, anderen Leuten Toilettenpapier in den Mund zu stopfen. Immerhin hatte der Angestellte in der Mietwagenfiliale kein Problem, Berndorf Fahrzeugschlüssel und Papiere auszuhändigen – ein Indiz dafür, dass nach Berndorf noch nicht gefahndet wird.
    »Sie sind ganz sicher«, fragt Zlatan plötzlich, »dass dieser Mann in der Toilette zu diesen anderen Leuten gehört?«
    »Ziemlich sicher«, antwortet Berndorf und spielt weiter an dem silbrig glänzenden Handy herum, das eben diesem Mann gehört. »Angeblich heißt er Kaminski. Joseph Fitzgerald Kaminski. Das klingt so blöd, dass der Ausweis zumindest gut gefälscht sein muss.« Auf dem Handy sind keine Nachrichten gespeichert, auch keine short messages , auch das Telefonbuch enthält keine Eintragungen. Aber die Liste der Anrufe in Abwesenheit weist eine Nummer auf, ebenfalls die eines Mobiltelefons, Berndorf gibt sie in das Telefonbuch seines eigenen Geräts ein, dann schaltet er das fremde Handy aus, lässt die Seitenscheibe des Wagens herunter und wirft das Handy in hohem Bogen hinaus, so dass es über die Standspur fliegt und irgendwo in der Böschung landet. Weil er gerade dabei ist, folgt wenig später der Schlüssel für das Schließfach, in dem er Kaminskis Pistole und auch seinen Pass deponiert hat.
    »Warum tun Sie das?«, will Zlatan wissen, und seine Stimme klingt plötzlich anders, angespannt, fast feindselig.
    »Ich bin kein Fachmann«, antwortet Berndorf. »Aber womöglich gibt es Leute, die den Standort von diesem Handy orten können.«
    »Dann werden diese Leute wissen, dass wir hier auf der Autobahn sind.«
    »Das werden sie sich sowieso denken«, gibt Berndorf zurück, und während er es sagt, wird ihm klar, dass er das besser hätte bleiben lassen.
    »Sie meinen,

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