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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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diese Leute wissen, dass wir nach Den Haag wollen?«, setzt Zlatan nach. »Und deswegen haben sie diesen Mann in den Zug gesetzt, damit er mich umbringen soll?«
    »Ich glaube, er sollte uns nur folgen«, antwortet Berndorf sachlich. »Und die Männer anweisen, die im Kölner Hauptbahnhof auf uns gewartet hätten.«
    »Und dann?«
    »Kurzes Gedränge auf dem Bahnsteig, zwei Schüsse, vielleicht auch nur das Plop-Plop aus Schalldämpfern, vielleicht wäre auch gar nichts zu hören gewesen, sondern zwei Spezialisten, die noch mit dem Messer umgehen können, hätten den Job erledigt, wer weiß das schon!«
    »Ah ja!«, macht Zlatan. »Das ist also das, was uns in Köln erwartet hätte. Und was erwartet uns dort, wohin wir jetzt fahren?«
    »Dichter Verkehr, aber kein Stau«, meint Berndorf. »Unsere Freunde müssen erst herausfinden, wo wir welches Auto gemietet haben.«
    »Vermutlich wissen sie das bereits«, erwidert Zlatan und wirft einen kurzen Blick zu Berndorf. »Sie haben dieses Auto da …« – er legt die Hand fast nachsichtig auf das Armaturenbrett – » …bei einer Firma direkt am Bonner Hauptbahnhof gemietet. Diese Leute brauchen keine Viertelstunde, um das herauszufinden. Ich wette, irgendwo vor uns, auf einer Brücke oder an einer Raststätte, steht schon ein Späher. Wir haben also nicht die geringste Chance, bis nach Den Haag zu kommen. Und wenn, dann sitzt dort irgendwo ein Sniper und hat den Eingang zu diesem Gerichtshof im Visier. Nein, ich wette nicht mit Ihnen, denn ich werde den Gewinn nicht einlösen können.«
    Berndorf schüttelt den Kopf. »Unsere Freunde haben wahrscheinlich erst jetzt begriffen, was im Zug passiert ist, und bis sie jemanden nach Bonn geschickt haben, um dort herumzufragen und ihren Kumpel Kaminski bei der Polizei loszueisen – bis dahin sind wir an der niederländischen Grenze, und von dort werden wir eben nicht nach Den Haag fahren …«
    »Sondern?«
    »Wir gehen in eine Polizeistation und erklären, dass Sie ein wichtiger Zeuge sind, und bitten um Polizeischutz …«
    Plötzlich lacht Zlatan Sirko. »Die niederländische Polizei, ach nein! Wissen Sie eigentlich, was Sie mir da vorschlagen? Da hab ich dann vielleicht einen niederländischen Wachtmeister zu meinem Schutz, so wie die Männer und Jungen von Srbrenica das Dutch bataillon zu ihrem Schutz gehabt haben, und vielleicht war der Wachtmeister damals zufällig beim Militär und hat mit den Serben Slibowitz getrunken, mit denen, die gerade nicht beschäftigt waren, die bosnischen Männer abzuführen …«
    Berndorf schweigt. Was soll er noch sagen? Ein Hinweisschild kündigt einen Autohof an.
    »Gehen wir da vorne einen Kaffee trinken«, schlägt er vor.
    »Haben wir denn die Zeit dafür?«
    »Wenn wir nicht einmal dazu Zeit haben«, kommt die Antwort, »dann ist alles zu spät.«
    O lga wirft ihre Reisetasche auf das Hotelbett und geht ins Bad, wo sie den Kaltwasserhahn des Handwaschbeckens aufdreht. Das kalte Wasser lässt sie erst über die Handgelenke laufen und erfrischt dann das Gesicht, bis die schlimmste Müdigkeit daraus vertrieben ist. Immerhin ist sie die ganze Nacht auf gewesen. Schließlich hat sie genug, sie trocknet sich ab und geht ins Zimmer zurück und schaltet mit der Fernbedienung den Internet-Anschluss ein. Währenddessen wirft sie noch einmal einen Blick auf ihr Handy und die letzte SMS, die darauf eingegangen ist:
    Aktion sofort beenden
    Sie zuckt nicht mit den Schultern, und sie verzieht auch nicht das Gesicht, sondern leitet die Anweisung an den niederländischen Partner weiter und auch an die beiden Männer, die noch immer im Kölner Hauptbahnhof warten. Kurz überlegt sie, ob sie die SMS auch an Kaminski schicken soll. Der Amerikaner hat sich nicht mehr gemeldet. Noch einmal versucht sie, ihn anzurufen, wieder nimmt niemand ab. Also noch ein Ausfall.
    Aber das geht sie nichts mehr an. Die Anweisung, die sie erhalten hat, ist eindeutig. Das Einzige, was noch zu tun ist, geht allein sie etwas an. Sie setzt sich an den Schreibtisch und ruft ihre E-Mails ab. Es ist eine einzige eingegangen, es ist eine Auskunft, die sie gestern angefordert hat und die sie jetzt überfliegt:
    B., Hans, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, jetzt Privatdetektiv, 64 Jahre alt, 180 cm, ca. 78 kg, nach Unfall leichte Gehbehinderung, polit. unzuverlässig, tendiert zu radik. Positionen! Lebt zusammen mit Barbara Stein, Professorin FU Berlin, Otto-Suhr-Institut …
    Olga notiert sich die Anschrift, es ist eine Adresse

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