Schlangenkopf
Berndorf und blickt sich um. Etwas abseits sitzt Nezahat vor einer Nähmaschine, aber sie tut so, als sähe sie ihn nicht.
»Und? Waren es angenehme Leute?«
»Wie Sie sehen, lebe ich noch. Die Reise war übrigens nicht zum Vergnügen.«
»Das dachte ich mir«, meint Aydin zurückhaltend. »Haben Sie etwas herausgefunden?«
»Ein paar Dinge, ja doch. Übrigens hatten wir über Fahrtkosten nichts vereinbart. Ich werde sie Ihnen nicht in Rechnung stellen.«
»Ich bitte Sie!«, sagt Aydin. »Wir wollen nichts geschenkt. Aber …«
»Sie wollen wissen, was ich herausgefunden habe? Es ist eine längere Geschichte. Sie werden einen schriftlichen Bericht bekommen. So dass Sie damit zu einem Anwalt gehen können.«
»Aber wer hat Murad …?«
»Ich glaube, es war eine Frau, die ihn umgebracht hat. Nur kann ich es noch nicht beweisen.«
Kemal Aydin blickt verblüfft, fast so, als hätte man ihm etwas Ungehöriges gesagt. Vielleicht gehört es sich für einen Muslim nicht, denkt Berndorf, sich von einer Frau umbringen zu lassen.
Er wünscht einen guten Tag und macht sich auf den Weg, endlich wieder einmal nach seinem Büro zu schauen. Nicht, dass ihm dieses Büro gefehlt hätte. Seine Ermittlerei hat ihm noch nicht einmal die Kosten für dieses Büro eingebracht, wie ihm von Barbaras Steuerberater vorgerechnet wurde …
»Warum eine Frau?« Auf schnellen unhörbaren Schritten hat ihn das Kopftuchmädchen eingeholt.
»Nicht auf der Straße«, antwortet Berndorf. Jetzt sind sie auch schon bei dem Haus mit dem noch immer ein wenig rot verschmierten Messingschild angelangt. Noch immer passt Berndorfs Schlüssel, auch sind die Fenster nicht eingeschlagen, und als er mit Nezahat in sein Büro tritt, die Rechnungen und Werbezuschriften aus dem Briefkasten in der Hand, da sieht er mit einem Blick, das alles so zu sein scheint, wie er es zurückgelassen hat. Aber es scheint nur so.
Was es doch ausmacht, denkt er, wenn jemand den Schreibtisch abwischt, damit er keine Spuren in der Staubschicht hinterlässt! Er bittet Nezahat, Platz zu nehmen, testet, ob das Telefon noch die Amtsleitung hat, und probiert die Schlüssel für Schreibtischfächer und Schublade aus, es scheint wirklich alles so, wie er es zurückgelassen hat – wenn in der Zwischenzeit dort anderes deponiert gewesen ist, so hat Dingeldey es wegbringen lassen. In der Post findet sich auch ein Schreiben der Hausverwaltung, es wird die Kündigung sein: Das kann er sich auch später noch anschauen!
»Warum ich denke, dass es eine Frau war …«, wiederholt er Nezahats Frage. »Eine Gegenfrage: Warum ist das wichtig?«
Nezahat sitzt im Besucherstuhl, den Kopf gesenkt, die Hände im Schoß und sorgsam aufeinander gelegt. »Weil das alles anders macht.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Warum müssen Sie das verstehen?« Für einen Moment hebt sie den Kopf, und ein dunkler zorniger Blick trifft Berndorf. »Ich will ja nur wissen, ob es wirklich eine Frau war. Und warum sie es getan hat. Was zwischen ihr und meinem Bruder war.«
»Nichts war zwischen ihnen. Sie hat es getan, weil Ihr Bruder die falsche Jacke getragen hat. Das wissen Sie doch, Sie selbst haben mir gesagt, dass es nicht die seine war und dass die Schlüssel darin fremde sind. Die Frau hat Ihren Bruder umgebracht, weil sie ihn für den anderen gehalten hat.«
»Und warum tut diese Frau so etwas?«
»Warum sitzen Sie an der Nähmaschine? Die Frau wird dafür bezahlt. Sie hatte den Auftrag, diesen Mann umzubringen. Sie hat auf ihn gewartet, man hat ihr also zuvor gesagt, wo er vorbeikommen wird und zu welcher Zeit. Und wie er aussieht und angezogen ist, das hat man ihr auch gesagt. Dass er eine auffällige Lederjacke trägt mit weißen Streifen. So etwas ist noch besser, als hätte man ihm mit Leuchtfarbe eine Zielscheibe auf den Rücken gemalt.«
»Und weiter?«
»Nichts.« Berndorf will keinen Vortrag darüber halten, warum es keinen Segen mit sich bringt, anderen Leuten mit vorgehaltenem Messer die Jacke abzunehmen. »Nichts weiter. Die Frau hat den Mann in der schwarzen Jacke mit den weißen Streifen gesehen, und da hat sie ihn totgefahren. Das war ihr Job.«
Nezahat verharrt noch einen Augenblick, noch immer die Hände im Schoß übereinander gelegt. Schließlich steht sie auf.
»Eine Frau!«, sagt sie und schüttelt den Kopf. Dann bedankt sie sich, und Berndorf antwortet, es sei vielmehr an ihm, Danke zu sagen, nämlich für die Bewachung des Büros, aber da fällt auch schon die Tür ins
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