Schlangenkopf
gewählt, und gemeldet hat sich eine Frau. Diese Frau hat ihm gesagt, er solle es nächste Woche noch einmal versuchen, Fausser nehme an einer Tagung am Starnberger See teil.« Dingeldey macht eine Pause und betrachtet die vier Frauen, die um seinen Besprechungstisch sitzen. »Ich würde gerne wissen, mit wem er gesprochen hat.«
»Das wollen Sie mich aber nicht im Ernst fragen?«, kommt es von Solveig Lunden.
»Ich hab doch schon dieser Dame da gesagt« – Carmen Ruff deutet auf Barbara – »dass er mit mir nicht gesprochen haben kann. Ich war am Nachmittag bei der Vorsorge.«
»Zlatan Sirko hat vormittags angerufen, kurz vor Mittag, um genau zu sein«, stellt Dingeldey klar. »Vor seinem Arbeitsbeginn. Er hatte Spätschicht, verstehen Sie?«
»Was soll das jetzt heißen?«, fragt Carmen Ruff. »Meinen Sie, wir müssten nicht auch hart arbeiten? Wir hätten keinen Stress?«
Dingeldey bittet um Entschuldigung. »Es liegt mir fern, Sie zu verletzen – aber sind Sie ganz sicher, dass Sie am Donnerstagvormittag keinen solchen Anruf entgegengenommen haben? Der Anrufer spricht sehr gut deutsch, aber man hört natürlich den Akzent der Leute aus dem ehemaligen Jugoslawien.«
»Was wollen Sie mir eigentlich anhängen?« Carmen Ruff öffnet ihre Handtasche und beginnt, nach einem Papiertaschentuch zu kramen. »Wenn da ein Anruf von diesem Zlatan Sirko gewesen wäre, hätt ich sofort gewusst, wer das ist, aber da war keiner …«
»Na schön«, meint Dingeldey und blickt auffordernd zu Carla Jankewitz.
»Ich muss Sie enttäuschen.« Sie zeigt einen Taschenkalender vor, dessen beide aufgeschlagenen Seiten mit Eintragungen übersät sind. »Letzten Donnerstag war für zehn Uhr dreißig eine Besprechung des Arbeitskreises der Wissenschaftlichen Mitarbeiter unserer Landesgruppe angesetzt, es ging dabei um gemeinsame Initiativen und Anfragen. Diese Besprechung nahm letzte Woche sogar ziemlich viel Zeit in Anspruch, denn ich ging von dort direkt zum Essen, weil ich um halb eins mit einer Bekannten verabredet war. Wieso sind Sie sich eigentlich so sicher, dass das stimmt, was dieser Jugoslawe behauptet?« Sie wirft einen Blick zur Seite, auf Carmen Ruff. »Es kann ja sein, dass er angerufen hat, aber es hat vielleicht überhaupt niemand mehr abgenommen, so kurz vor Mittag …«
»Was redest du da?«, fährt die Ruff auf. »Du willst mir doch nur in die Schuhe schieben, dass ich früher Mittag gemacht hätte, das ist doch …«
»Bitte!«, unterbricht Dingeldey.
»Sie haben mir gesagt«, schaltet sich Barbara Stein ein, an Carmen Ruff gewandt, »ein Anruf, der nicht abgenommen wird, könnte automatisch auf ein Mobiltelefon von Christian Fausser weitergeleitet werden …«
»Das ist ganz selten, dass ich früher gehe«, beharrt die Ruff, »eigentlich nie, und meistens bleibe ich länger, also wenn ich das alles aufschreiben würde! Aber an diesem einen Donnerstag … also wenn dieser Kerl kurz nach zwölf Uhr angerufen hat, könnte es schon sein, dass der Anruf auf das Handy vom Chef weitergeleitet wurde und dort aufgelaufen ist, aber …«
»Ja?«, muntert Dingeldey auf.
»Das geht aber nur, wenn der Chef diese Funktion aktiviert hat«, erklärt die Ruff, »und das macht er sehr selten, eigentlich nur, wenn er einen Anruf außerhalb der Dienstzeiten erwartet, zum Beispiel von einem Journalisten, dem er aber seine Geheimnummer nicht anvertrauen will. Und wenn er auf einer Tagung ist wie letzte Woche, dann will er da sowieso nicht angerufen werden, das kann er nicht ab.«
»Die Tagung am Starnberger See begann am Freitag«, wirft Barbara mit sanfter Stimme ein, »nicht schon am Donnerstag.«
»Wir könnten jetzt natürlich seine Ehefrau anrufen und fragen, ob er den Donnerstag vielleicht zu Hause verbracht hat«, bemerkt Dingeldey. »Von Stuttgart aus hätte er am Freitagmorgen durchaus mit dem Wagen an den Starnberger See fahren können.« Er steht auf und geht zu einem Tischchen mit einem Telefon. »Soll ich?«
»Lassen Sie es«, sagt Solveig Lunden. »Christian war am Donnerstag bei mir. Es war eine der seltenen Gelegenheiten, an denen wir beide einen Tag frei nehmen konnten.«
Eine kurze Weile lang herrscht Schweigen. Carla Jankewitz zieht ein wenig die Augenbrauen hoch, Carmen Ruff versucht sich an einem säuerlichen Lächeln, das ihr aber misslingt.
»Falls Sie jetzt meinen«, fährt Solveig Lunden fort, »ich wäre die Frau gewesen, die den Anruf dieses Mannes entgegengenommen hat – ich darf Ihnen allen
Weitere Kostenlose Bücher