Schlangenkopf
noch wird er dorthin gebracht, und ich mache Sie persönlich dafür haftbar, dass er dort auch ankommt, unversehrt ankommt …«
Örtlein nimmt einen Schluck vom Wasser, das zum Espresso serviert worden ist, und fährt mit normaler Stimme fort. »Dann hat er das Notizbuch eingesteckt, ganz so, als ob nun alles gesagt sei. Ich hab mir gedacht, das kann nicht gut gehen, aber dann sagt der Eschle, dass das ein sehr guter Vorschlag sei und er bitte, dieser Empfehlung zu folgen, ganz dringend bitte er darum. Ich sehe noch, wie Eschle dazu ein ganz freundliches, fast demütiges Gesicht macht, dabei war er schon ganz rotfleckig, trotz allen Fächelns.«
»Wissen Sie noch den Namen des Mannes, der ins Krankenhaus gebracht werden sollte?«
Örtlein hebt kurz die rechte Hand und lässt sie wieder fallen. »Notiert habe ich mir den Namen ganz bestimmt, ich hab ja auch eine Reportage dazu geschrieben, aber die ist unter den Tisch gefallen.« Örtlein verzieht sein Gesicht zu einem etwas mühsamen Lächeln. »Irgendeine Geschichte über eine Arsch- und Tittentussi aus dem Fernsehen war wichtiger, und das Foto haben sie erst später genommen, für einen Bericht, der aus Agenturmeldungen zusammengestoppelt war, und haben sich dann noch mächtig aufgeregt, als ich das Foto auch an andere Zeitungen verkauft habe. Das hier zum Beispiel …« Er greift zu dem Ausschnitt und dreht ihn um, »das müsste in der Frankfurter Rundschau erschienen sein, der Typographie nach zu schließen. Deren Berliner Büro hat auch sonst manchmal Arbeiten von mir genommen.«
»Den Namen dieses Mannes?«, hakt Berndorf nach.
»Den hab ich wirklich nicht parat.« Örtlein schüttelt den Kopf. »Ich muss in meinen Unterlagen nachsehen.«
»Könnten Sie das tun und mir Bescheid geben?«, fragt Berndorf und schiebt seine Visitenkarte über den Tisch.
»Können kann ich schon«, antwortet Örtlein und nimmt zögernd die Karte. »Aber was bitte ist eigentlich Ihre Gegenleistung?«
»Sie werden Ihre Reportage von damals vielleicht doch noch verkaufen können.« Berndorf winkt der Bedienung, weil er zahlen will. »Wenn Sie ein wenig Geduld haben …«
Örtlein blickt zornig auf. »So geht das nicht! Ich habe Ihnen die Geschichte erzählt, und jetzt wollen Sie mich am langen Arm verhungern lassen.«
»Tun Sie nicht so«, gibt Berndorf zurück. »Was das wert ist, was Sie mir erzählt haben, weiß ich erst, wenn Sie die Namen dazu liefern.« Die Bedienung erscheint am Tisch, und Berndorf bezahlt Tee und Espresso. Er erhebt sich, dann steht auch Örtlein auf, offensichtlich immer noch verärgert.
I n Ihrer Klitsche von Büro fällt Ihnen wohl die Decke auf den Kopf?«, erkundigt sich Polizeihauptkommissar Jonas Regulski bei dem Besucher, der vor seinem Schreibtisch steht. »Könnten Sie sich nicht vielleicht jemand anderen suchen, dem Sie die Zeit stehlen?« Immerhin weist er mit der Hand auf den Besucherstuhl.
»Vielleicht haben Sie ja jemanden, mit dem Sie mich bekannt machen können«, antwortet der Besucher und nimmt Platz.
Alamiert blickt Regulski auf, die Augen noch eine Spur misstrauischer als sonst. »Haben Sie da eine konkrete Vorstellung?«
»Nein.« Berndorf schüttelt den Kopf. »War nur so ins Blaue hinein gesagt.«
»Nett«, sagt Regulski. »Ich hab’s gern, wenn die Leute ins Blaue hinein reden. Stundenlang könnt ich da zuhören.«
»Murad Aydin hat eine Lederjacke getragen, die ihm nicht gehört hat.« Berndorf macht eine Pause, als müsste er sich korrigieren. »Vermutlich hat sie ihm nicht gehört. Was ihm gehört hat, war ein Lederblouson, den er am Sonntagabend irgendwann um Mitternacht in einem Hinterzimmer am Rosenthaler Platz verzockt hat.«
»Beim Schlangenkopf?«, fragt Regulski und weist mit seiner linken Hand auf den rechten Oberarm, als wäre er es, der dort eine Tätowierung trüge. »Er ist vorgewarnt. Irgendwann werden wir sein Hinterzimmer aufmischen müssen.«
»Er war ganz kooperativ«, wirft Berndorf ein. »Den Lederblouson hab ich anstandslos zurückbekommen.«
»Und?«
»Nichts weiter. Um Mitternacht kommt Murad Aydin aus dem Hinterzimmer, ohne was um die mageren Schultern, aber eine Stunde später lässt er sich in einer feinen – nun ja … in einer doch recht kleidsamen Lederjacke totfahren. Wie …«
»Das können wir uns ausrechnen«, unterbricht ihn Regulski und deutet mit einem imaginären Springmesser auf ihn. »Er hat sie einem Nachtschwärmer abgenommen. Mich interessiert etwas anderes. Sie haben
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